Zeitlose Kunst — Moderne Kunst.
ARCHITEKT OSKAR KAUFMANN - BERLIN.
DER ZUSCHAUERRAUM DES KINOTHEATERS NOLLENDORF.
lerisches Wollen, das trotz der Vielspältigkeit
der Wege in derselben Richtung vorwärts-
strebt. Dieses Wollen entspringt dem innersten
Bedürfnis der künstlerischen Natur, das eigene
erforschte Selbst im Kunstwerk niederzulegen.
Das Forschen des Künstlers ist im Grunde heute
noch das gleiche wie vor tausend Jahren, wenn
sich auch die Wahl der Motive und die Art
der Gestaltung notgedrungen dem kulturellen
Fortschritt der rastlos vorwärtsschreitenden Zeit
unterordnen. Diese Beeinflussung wirft meistens
schon zu einem Zeitpunkt ihre Schatten voraus,
wo die Entwicklung der Gesamtheit noch unter
anderen Zeichen steht. Die künstlerische Natur
ahnt gewissermaßen die Richtung der nach einer
bestimmten Entwicklung drängenden Kultur
voraus und schlägt sie bereits ein, bevor sie
auf anderen Gebieten in Erscheinung tritt. Es
ist natürlich, daß alsdann die breite Masse und
selbst die Mehrzahl jener Künstler, deren Ge-
stalten noch unter den Auspizien der alten, sich
überlebenden Kulturepoche steht, gegen die
neue Weise Sturm läuft. Es ist dies um so
verständlicher, als der neu entstandene Rhyth-
mus mit der gewohnten Verständigungsart
meist nur wenig gemeinsame Berührungspunkte
aufweist. Man versteht sich im reinsten
Sinne des Wortes vorerst nicht, obwohl die
Triebfeder und der tiefste Gedanke der neuen
Rede sich von der Vergangenheit in nichts
unterscheiden. Man stößt sich an der Stilform
und übersieht den Inhalt der Gebärdensprache.
Im echten Streben des Künstlers besteht dieser
unverändert fort, einerlei ob ihn ein Botticelli,
ein Rembrandt oder ein van Gogh vermittelt.
Darum ist es müßig, über die Form der Mit-
teilung zu streiten, wenn hinter ihr eine von
Spielerei freie Lebensoffenbarung steht, die sich
über altgeheiligte äußerliche Forderungen erhebt.
Jegliches Ding ändert im Wandel der Zeiten
seine Gestalt, ohne dabei die treibende Kraft
seiner Lebensäußerung einzubüßen. Und die
Kunst sollte von diesem natürlichen Entwick-
lungsprozeß abweichen und Wege gehen, auf
denen sie in doktrinären Regeln an Lebens-
wahrheit verlieren müßte!
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ARCHITEKT OSKAR KAUFMANN - BERLIN.
DER ZUSCHAUERRAUM DES KINOTHEATERS NOLLENDORF.
lerisches Wollen, das trotz der Vielspältigkeit
der Wege in derselben Richtung vorwärts-
strebt. Dieses Wollen entspringt dem innersten
Bedürfnis der künstlerischen Natur, das eigene
erforschte Selbst im Kunstwerk niederzulegen.
Das Forschen des Künstlers ist im Grunde heute
noch das gleiche wie vor tausend Jahren, wenn
sich auch die Wahl der Motive und die Art
der Gestaltung notgedrungen dem kulturellen
Fortschritt der rastlos vorwärtsschreitenden Zeit
unterordnen. Diese Beeinflussung wirft meistens
schon zu einem Zeitpunkt ihre Schatten voraus,
wo die Entwicklung der Gesamtheit noch unter
anderen Zeichen steht. Die künstlerische Natur
ahnt gewissermaßen die Richtung der nach einer
bestimmten Entwicklung drängenden Kultur
voraus und schlägt sie bereits ein, bevor sie
auf anderen Gebieten in Erscheinung tritt. Es
ist natürlich, daß alsdann die breite Masse und
selbst die Mehrzahl jener Künstler, deren Ge-
stalten noch unter den Auspizien der alten, sich
überlebenden Kulturepoche steht, gegen die
neue Weise Sturm läuft. Es ist dies um so
verständlicher, als der neu entstandene Rhyth-
mus mit der gewohnten Verständigungsart
meist nur wenig gemeinsame Berührungspunkte
aufweist. Man versteht sich im reinsten
Sinne des Wortes vorerst nicht, obwohl die
Triebfeder und der tiefste Gedanke der neuen
Rede sich von der Vergangenheit in nichts
unterscheiden. Man stößt sich an der Stilform
und übersieht den Inhalt der Gebärdensprache.
Im echten Streben des Künstlers besteht dieser
unverändert fort, einerlei ob ihn ein Botticelli,
ein Rembrandt oder ein van Gogh vermittelt.
Darum ist es müßig, über die Form der Mit-
teilung zu streiten, wenn hinter ihr eine von
Spielerei freie Lebensoffenbarung steht, die sich
über altgeheiligte äußerliche Forderungen erhebt.
Jegliches Ding ändert im Wandel der Zeiten
seine Gestalt, ohne dabei die treibende Kraft
seiner Lebensäußerung einzubüßen. Und die
Kunst sollte von diesem natürlichen Entwick-
lungsprozeß abweichen und Wege gehen, auf
denen sie in doktrinären Regeln an Lebens-
wahrheit verlieren müßte!
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