Zu Erich Erlers neuen Bildern.
Unschuld und Nichtkönnen weiter produzieren
zu lassen, legte er sich erst ein hartes Studium
auf. Immer aber brach sein warmes und reiches
Fühlen durch, das seinen Bildern bei aller Sorg-
falt derDetaillierung einen poetischen Einschlag,
einen träumerischen Zug verlieh. Das Engadin
und seine Nachbarschaft, welche ihn einst in
schwererKrankheit jahrelangfesthielten undzum
Maler machten, blieben auch in Zukunft das
Land seiner Wahl. Der funkelnde Sonnenschein,
die männliche Kraft, die stählende Luft und die
gesteigerte Farbigkeit dieser Berge und Täler
hat wohl auf manchen seit den Tagen Segantinis,
ihres künstlerischen Entdeckers, gewirkt. Erich
Erler grub sie sich vor allem mit ihren starken
Eigenschaften ins Herz. In seinen neuen Werken
möchte er nicht die Natur selbst, sondern ihre
Wirkung geben, wie sich ein Bild aus verschie-
denen Bestandteilen wohl zuweilen im Träu-
men zusammenwebt, intensiver als die Wirk-
lichkeit, weil die Seele an der Farbe mitar-
beitet. Ein solches Verwachsensein mit der
Landschaft, der er ja einst mit der Inbrunst
des Hoffenden genaht ist, und die ihm alle die
enthusiastischen Gefühle einer neuen, Segen
spendenden Heimat gegeben hat, eine solche
Erfüllung mit dem Geiste der Natur konnte
sich erst so recht aussprechen, als sich Erich
Erler allmählich frei machte vom Hängen an
seinem Modell, von der Porträtmäßigkeit der
Landschaft und vom bloßen Naturausschnitt,
mit anderen Worten, als sich auch Erich Erler
die idealistische Umbildung der Wirklichkeit
auf die Fläche als Ziel setzte. Damit trennt
sich der Dichter von dem Nachbildner. Auf
solcher Bahn entscheidet die zusammenfassende
Kraft des Individuums, seine Fähigkeit zum Er-
lebnis alles. Welch gesammelter Reichtum der
Empfindung liegt vor uns ausgebreitet in dem
„Rauhen Land", einem der wenigen Bilder
Erich Erlers, in denen er sich von der Schwere
des Daseins ergriffen zeigt, im „November",
in dem der Jäger den herankommenden Winter
gleich einem Feind erwartet, gegen den er
kämpfen will, in dem „Sonntag" mit seinem
festlichen Reichtum der Farbe, in der zart-
tönigen „Jungen Hirtin" mit dem Primelstrauß,
in der „Heißen Stunde", über deren drücken-
den Horizontalen eine sieghaft aufgerichtete
weiße Wolke fast wie eine Herrscherin dahin-
geht. Fast niemals gewahren wir in den Bil-
dern einen seelischen Druck oder dumpfe Ver-
zweiflung vor der Natur. Wo die Natur sich
feindlich entgegenstellt, nehmen die Menschen
den Kampf frisch, ohne Sentimentalität und
Schmerzen auf. Wissen sie doch, daß sie da-
durch nur stärker werden. Ohne Gram und
Groll schaut von der „Einsamen Poststation"
der Postmeister dem Schlitten nach, der ein-
zigen Unterbrechung seines eintönigen Tage-
werkes. Kräftig stapfen die „Hochlandjäger"
durch den tiefen Schnee. Frohmutig bringt der
Bauer die „Letzte Mahd" ein, deren kurze
Halme schon der kühle Herbstwind zu Boden
168
Unschuld und Nichtkönnen weiter produzieren
zu lassen, legte er sich erst ein hartes Studium
auf. Immer aber brach sein warmes und reiches
Fühlen durch, das seinen Bildern bei aller Sorg-
falt derDetaillierung einen poetischen Einschlag,
einen träumerischen Zug verlieh. Das Engadin
und seine Nachbarschaft, welche ihn einst in
schwererKrankheit jahrelangfesthielten undzum
Maler machten, blieben auch in Zukunft das
Land seiner Wahl. Der funkelnde Sonnenschein,
die männliche Kraft, die stählende Luft und die
gesteigerte Farbigkeit dieser Berge und Täler
hat wohl auf manchen seit den Tagen Segantinis,
ihres künstlerischen Entdeckers, gewirkt. Erich
Erler grub sie sich vor allem mit ihren starken
Eigenschaften ins Herz. In seinen neuen Werken
möchte er nicht die Natur selbst, sondern ihre
Wirkung geben, wie sich ein Bild aus verschie-
denen Bestandteilen wohl zuweilen im Träu-
men zusammenwebt, intensiver als die Wirk-
lichkeit, weil die Seele an der Farbe mitar-
beitet. Ein solches Verwachsensein mit der
Landschaft, der er ja einst mit der Inbrunst
des Hoffenden genaht ist, und die ihm alle die
enthusiastischen Gefühle einer neuen, Segen
spendenden Heimat gegeben hat, eine solche
Erfüllung mit dem Geiste der Natur konnte
sich erst so recht aussprechen, als sich Erich
Erler allmählich frei machte vom Hängen an
seinem Modell, von der Porträtmäßigkeit der
Landschaft und vom bloßen Naturausschnitt,
mit anderen Worten, als sich auch Erich Erler
die idealistische Umbildung der Wirklichkeit
auf die Fläche als Ziel setzte. Damit trennt
sich der Dichter von dem Nachbildner. Auf
solcher Bahn entscheidet die zusammenfassende
Kraft des Individuums, seine Fähigkeit zum Er-
lebnis alles. Welch gesammelter Reichtum der
Empfindung liegt vor uns ausgebreitet in dem
„Rauhen Land", einem der wenigen Bilder
Erich Erlers, in denen er sich von der Schwere
des Daseins ergriffen zeigt, im „November",
in dem der Jäger den herankommenden Winter
gleich einem Feind erwartet, gegen den er
kämpfen will, in dem „Sonntag" mit seinem
festlichen Reichtum der Farbe, in der zart-
tönigen „Jungen Hirtin" mit dem Primelstrauß,
in der „Heißen Stunde", über deren drücken-
den Horizontalen eine sieghaft aufgerichtete
weiße Wolke fast wie eine Herrscherin dahin-
geht. Fast niemals gewahren wir in den Bil-
dern einen seelischen Druck oder dumpfe Ver-
zweiflung vor der Natur. Wo die Natur sich
feindlich entgegenstellt, nehmen die Menschen
den Kampf frisch, ohne Sentimentalität und
Schmerzen auf. Wissen sie doch, daß sie da-
durch nur stärker werden. Ohne Gram und
Groll schaut von der „Einsamen Poststation"
der Postmeister dem Schlitten nach, der ein-
zigen Unterbrechung seines eintönigen Tage-
werkes. Kräftig stapfen die „Hochlandjäger"
durch den tiefen Schnee. Frohmutig bringt der
Bauer die „Letzte Mahd" ein, deren kurze
Halme schon der kühle Herbstwind zu Boden
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