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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Migge, Leberecht: Der Abseits-Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0313

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ENTW: L. MIGGE. AUSF: J. OCHS.

PAVILLON IM GARTEN REINBECK.

DER ABSEITS-GARTEN.

Der Abseits-Garten. So nenne ich einen
Gartentyp, der abseits vom Wohnhaus
gelegen, nicht viel anderes, als eine Variation
oder eine Steigerung des Klein- oder des Bür-
gergartens für den Bemittelten bedeutet. Es
sind unsere eigenartigen Boden- und Verkehrs-
verhältnisse , die heute des öfteren auch den
Begüterten zwingen, diesen Gartenkompromiß
einzugehen. Jemand, der sich etwa eine Villa
in bester und dann natürlich auch teurer Lage
errichtet, kann oder will nicht mehr die Mittel
aufbringen, dem Hause einen größeren Garten
anzugliedern. Um nun aber seiner stark ent-
wickelten Gartenneigung doch mehr genügen
zu können, pachtet oder kauft er ein Garten-
Gelände auf billigerem Boden in der Nähe
seines Wohnsitzes —• abseits.

Hier kann er mit Genuß und Muse und
weniger von Nachbarn belästigt seinen Garten-
liebhabereien nachgehen. Größere Gemüse-
gärten und Obstplantagen für den Hausbedarf,
Rosen-, Blumen- und Sammlergärten der ver-
schiedensten Art sind hier an richtiger Stelle.
Hier ist auch der geeignete Platz zum Experi-
mentieren mit Pflanzen und für Voranzuchten,
der Platz für Sonnenbäder und Spielplätze.

Alles das, vielleicht um ein Häuschen für Unter-
kunft und Geräte gruppiert, kann hier von vorn-
herein üppiger geplant werden, weil ökono-
mische Bedenken sich weniger geltend machen.
Ich kenne Leute, die mit Hilfe dieser Taktik sich
ein Gartenleben ermöglicht haben, von einer
Großzügigkeit, die zu erreichen ihr Lebensstan-
dard ihnen sonst nicht entfernt gestattet hätte.

Es ist einer meiner ersten Abseits-Gärten,
der hier in knapper Darstellung vorgeführt
wird. Einer der ersten jedenfalls „ohne Kon-
zessionen" ; so hat er für mich eine Art histo-
rische Bedeutung. Er war mir Jahre hindurch,
derweil sich andere um die Notwendigkeit theo-
retisch stritten, ein praktischer Beleg für die
fast schrankenlose Möglichkeit des architekto-
nischen Gartens. Dem gestanden die Zweifler
ja alles zu, nur nicht die berühmte deutsche
Poesie und Sinnigkeit, nur nicht seelische Eigen-
schaften. Dieser architektonische Garten aber
ist malerisch, ist so „romantisch", als sich ein
gutes Bürgerherz irgend wünschen kann. Das
weisen die Abbildungen wohl aus.

Dabei ist dieses Bildwerk noch unvollkom-
men. Nicht nur, daß vieles von dem, was hier
geplant war, nicht oder nur beschränkt ver-

1912/13. X. 7.

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