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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0322

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Kleine Kunst-Nachrichten.

WILHELM FEHRLE. Wilhelm Fehrle ging
nach Paris, um sich mit dem Theoretischen
abzufinden, um sich von dem Grundsäßlichen in den
Überlegungen zu lösen. Der Besuch in Paris gilt
der Internationalität, allerdings nur um der Kritik
ohne das reklamehafte Medium der Ferne ihre
rechte Perspektive zu geben. Abrechnen mit dem
„Anderen", Herausstellen des Eigenen als Endzweck.
Der Weg führt über die Gegenständlichkeitstheorie
des Naturalismus, über ihr impressionistisches Ge-
genspiel. Ablehnung alles Anekdotischen ist das
erste Ergebnis. Gegenstand der reinen Kunst ist
die reine Form. Die reine Form als Ausdruck
wird zum Postulat. Diese kann nicht in der realen
Erscheinung liegen. Der Weg von der Kunst des
Eindrucks, die die Form aus der Erscheinung zieht,
zum dekorativen Stil, wird auf dem Wege der
künstlerischen Idee gefunden, die vor der Erschei-
nung liegt und lediglich an dieser abgewandelt
wird. Die künstlerische Ehrlichkeit erleidet die
begriffliche Verschiebung von der getreuen Kopie
des (Eindrucks zur gewissenhaften Durchdenkung
der Anwendung der Idee. Eine recht hübsche Kunst
großer, dekorativer Linien, mit fast geometrischer,
doch nicht ornamentaler Kompositionsidee, ist das
sichtbare Resultat; stark gefühlt, doch noch ohne
Monumentalität. LHie und da noch nicht ganz frei
von Einflüssen expressiver frühgriechischer Plastik,
auch an Maillol wird scheinbar nicht ganz unacht-
sam vorübergegangen. Intelligente Arbeiten ohne
aufdringlichen Intellektualismus. Das Interesse
immer durchaus dreidimensional; zugleich gut durch-
dachte Silhouettenwirkung. Im ganzen eine durch-
aus sympathische Erscheinung, deren weitere Ent-
wicklung Beachtung verdient. fritz max cahen.
&

MÜNCHEN. In München wurde das neue
„Kunsthaus Brakl" eingeweiht. Das
von Emanuel v. Seidl erbaute Haus erhebt sich
auf dem spißen Dreieck, das von der Lessing-
und der Goethestraße gebildet wird. Für die
Grundrißgestaltung war die Form des Planes ge-
wig nicht günstig. Der Architekt löste die Aufgabe
so, dag er ungefähr in der Mitte des Plaßes, zen-
trisch zu der Achse, die sich senkrecht auf dereinen
Langseite des Dreiecks erhebt, einen größeren
Raum aussonderte, den er im Obergeschoß als
Oberlichtsaal ausgestaltete. Durch den Boden des
Saales brach er einen ovalen Ausschnitt, der dem
gleichen Raum im Erdgeschoß Licht gibt, und dieser
Raum war der gegebene Empfangsraum. Um
dieses Zentrum herum wurden die Seitenlichtsäle,
sieben in jedem Geschoß, gruppiert. Der Emp-
fangsraum wird von der Goethestraße betreten,
und die Fassade auf dieser Seite wurde mit einem
von vier Säulen getragenen Anfahrtsdach wirkungs-
voll dekoriert. Für die Fassadengestaltung an der

Lessingstraße war maßgebend, daß sich der Aus-
stellungsbau hier an den Wohnhausbau anlehnt,
mit dem er durch zwei Arkadenbogen verbunden
ist. So wurde diese Fassade ganz dem Wohn-
haus ähnlich gebildet, nur daß hier die Fenster
größer und weitläufiger verteilt sind. Rauhverpuß
und der von Seidl geliebte Schiefer bestimmen den
malerischen Eindruck wie des Wohnhauses so auch
des Ausstellungsbaues. In der Innenausstattung
ist die größte Einfachheit befolgt, sowohl an den
stets ganz glatt gehaltenen Türgewänden (Maha-
goni und Birnbaum), wie an der Wandbespannung
(Brokat, Moiree, Kochelleinen), die mit klugem
Bedacht auf das Licht eines jedes Raumes gewählt,
alle exzentrischen Farben vermeidet. Besonders
glücklich scheint mir die ganz schwarze, stumpfe
Bespannung des 10 Meter hohen Oberlichtsaals, die
das hier leicht überreiche Licht schluckt und die Farben
der Bilder zu überraschend guter Wirkung bringt. —
Prinzregent Ludwig von Bayern hat Herrn
Hofrat Franz Josef Brakl den Verdienstorden vom
heiligen Michael mit der Krone verliehen. k. m.
Ä

DAS STADION. Otto March hat leider die
Fertigstellung des größten seiner architek-
tonischen Werke nicht mehr erlebt. Erst in diesen
Tagen konnte das Stadion, diese gigantische Anlage
für Sport und Spiel, eröffnet werden. March hat
den Zirkus der Zehntausend als ein gewaltiges
Oval inmitten der gleichfalls von ihm geschaffenen
Rennbahn disponiert. Damit der Überblick über
das Geläuf der Pferde nicht gestört werde, wurde
das Stadion soweit unter das Niveau der Rennbahn
vertieft, daß selbst die Dächer der Tribünen nicht
hervorragen. Dadurch ergaben sich sehr wirksame
Niveauunterschiede, die durch Bogenüberbauungen
an den Zufahrtstraßen monumental gesteigert wor-
den sind. Im übrigen ist die Wirkung der Anlage
auf das Ungeheure der Abmessungen gestellt; die
nackte Großheit der Spannung, die nüchterne Rei-
hung der endlosen Tribünen reichen hin, um ein
ungewöhnliches Raumgefühl zu wecken. Was man
sieht, aus Beton mit kalter Strenge konstruiert, ist
nur ein Abstraktum; man weiß, daß erst die strö-
menden Menschenscharen in diese Abgrenzungen
das Leben bringen werden. Gerade darum be-
wundert man den Architekten, der restlos auf allen
gekünstelten Überfluß verzichtete, um seinen Auf-
traggebern, den Massen des Volkes, ein Gefäß und
zugleich einen pathetischen Ausdruck zu schaffen, br.
£

NOTIZ. Der im Juniheft erwähnte Urheberrechts-
Streit zwischen Regierungsbaumeister a. D.
Wollenberg und Baurat Martens ist vom
Reichsgericht zu Gunsten Wollenbergs ent-
schieden worden, indem es die Revision gegen das
kammergerichtliche Urteil zurückwies. d. r.

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