Französische Kunst in Deutschland.
ihre Wege um das Jahr 1870 mit aller Ent-
schiedenheit. Carriere strebte immer mehr in
das farbenarme, rauchige, nebelige Dunkel
mystischer Beziehungen, während Claude
Monet, Renoir, Pissarro, Degas, Sis-
ley, Guillaumin immer mehr das Licht und
die Luft, Farbe, Freude, Gegenständlichkeit als
ihre Programmpunkte forcierten und schließlich
jener Auflösung der Form zustrebten, die zu-
gleich und ihnen unbewußt die Zerstörung des
Impressionismus selbst bedeutete. Mir sind
auf alle Fälle Arbeiten des jungen Renoir, wie
man sie bei Heinemann sah, das Damenporträt
aus Hamburger Privatbesitz und die „ Odaliske ",
oder frühe Claude Monets („ Garten") wertvoller
als Spätwerke dieser Künstler, in denen nur die
Snobs Evangelien preisen können. Ähnlich er-
geht es mir mit Cezanne. Er gehörte einmal zu
den Impressionisten, dann strebte er in seiner
pro venzalischen Einsamkeit über den Impressio-
nismus hinaus. Ich kann jedoch in diesem Stre-
ben kein Glück für die Kunst erblicken. Jeden-
falls aber liegt für mich hinter Cezannes Teich-
Landschaft keine Möglichkeit mehr. Cezanne
ist wie Gauguin ein Grenzstein. Beide
Künstler schließen ab. Sie dürfen keine „Schule
machen" und sie wollten es nicht. Wenn man
sie heute trotzdem überbieten möchte, so geht
man in die Irre. Man zeigt insonderheit, daß
man den geistigen Entwicklungsgang der fran-
zösischen Malerei nicht erfaßt hat. Ja, daß man
geradezu gegen die Entwicklung, auf die man
pocht, sündigt. Man diskreditiert die französi-
sche Malerei in ihrer Gesamtheit und ist nicht
wert, an ihrer hohen Kultur teilzuhaben.
g DR. G. J. WOLF.
Die Grundsätze jedes künstlerischen Urteils sind
abhängig von der Beantwortung der Frage nach dem
Gegenstand der künstlerischen Erkenntnis. Man sagt
das Objekt der Gestaltung sei die »Natur«... Alle
Erkenntnis ist nur eine Theorie über diese »Natur«,
ein Versuch, sie in irgend einer Ordnung zu begreifen.
Die »Natur« kann allein in der Natur unseres Denkens
begriffen werden, nie aber in ihrem eigenen uns ent-
gegengesehen Wesen. Dies gilt für Künstler und
»Denker«. Man glaubt das, was man sieht, sei da-
rum das Wahre, weil es so und soviele Menschen
auch so sehen, vergißt aber, daß diese Anschauungen
Produkte praktischer, nach Zeit und Umständen
wechselnder Konventionen sind. Auch überall sieht
man, daß das Kunstwerk keine lockere Summe von
Einzelheiten darstellt, sondern ein Urteil über die
Natur, bestehend aus individuellen, vom Künstler ge-
schaffenen Erscheinungszusammenhängen... Fri^ Bürger.
1913. XI. 2.
ihre Wege um das Jahr 1870 mit aller Ent-
schiedenheit. Carriere strebte immer mehr in
das farbenarme, rauchige, nebelige Dunkel
mystischer Beziehungen, während Claude
Monet, Renoir, Pissarro, Degas, Sis-
ley, Guillaumin immer mehr das Licht und
die Luft, Farbe, Freude, Gegenständlichkeit als
ihre Programmpunkte forcierten und schließlich
jener Auflösung der Form zustrebten, die zu-
gleich und ihnen unbewußt die Zerstörung des
Impressionismus selbst bedeutete. Mir sind
auf alle Fälle Arbeiten des jungen Renoir, wie
man sie bei Heinemann sah, das Damenporträt
aus Hamburger Privatbesitz und die „ Odaliske ",
oder frühe Claude Monets („ Garten") wertvoller
als Spätwerke dieser Künstler, in denen nur die
Snobs Evangelien preisen können. Ähnlich er-
geht es mir mit Cezanne. Er gehörte einmal zu
den Impressionisten, dann strebte er in seiner
pro venzalischen Einsamkeit über den Impressio-
nismus hinaus. Ich kann jedoch in diesem Stre-
ben kein Glück für die Kunst erblicken. Jeden-
falls aber liegt für mich hinter Cezannes Teich-
Landschaft keine Möglichkeit mehr. Cezanne
ist wie Gauguin ein Grenzstein. Beide
Künstler schließen ab. Sie dürfen keine „Schule
machen" und sie wollten es nicht. Wenn man
sie heute trotzdem überbieten möchte, so geht
man in die Irre. Man zeigt insonderheit, daß
man den geistigen Entwicklungsgang der fran-
zösischen Malerei nicht erfaßt hat. Ja, daß man
geradezu gegen die Entwicklung, auf die man
pocht, sündigt. Man diskreditiert die französi-
sche Malerei in ihrer Gesamtheit und ist nicht
wert, an ihrer hohen Kultur teilzuhaben.
g DR. G. J. WOLF.
Die Grundsätze jedes künstlerischen Urteils sind
abhängig von der Beantwortung der Frage nach dem
Gegenstand der künstlerischen Erkenntnis. Man sagt
das Objekt der Gestaltung sei die »Natur«... Alle
Erkenntnis ist nur eine Theorie über diese »Natur«,
ein Versuch, sie in irgend einer Ordnung zu begreifen.
Die »Natur« kann allein in der Natur unseres Denkens
begriffen werden, nie aber in ihrem eigenen uns ent-
gegengesehen Wesen. Dies gilt für Künstler und
»Denker«. Man glaubt das, was man sieht, sei da-
rum das Wahre, weil es so und soviele Menschen
auch so sehen, vergißt aber, daß diese Anschauungen
Produkte praktischer, nach Zeit und Umständen
wechselnder Konventionen sind. Auch überall sieht
man, daß das Kunstwerk keine lockere Summe von
Einzelheiten darstellt, sondern ein Urteil über die
Natur, bestehend aus individuellen, vom Künstler ge-
schaffenen Erscheinungszusammenhängen... Fri^ Bürger.
1913. XI. 2.