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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Zuckerkandl, Berta: Ludwig Heinrich Jungnickel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0365

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LUDWIG HEINRICH JUNGNICKEL-FRANKFURT.

VON BERTA ZUCKERKANDL - WIEN.

Es war ungefähr um 1900, als Alfred
Roller, an die Wiener Kunstgewerbe-
schule berufen, eine vollkommen neue Disziplin
des Zeichenunterrichtes einführte. Er leitete
die Vorbereitungsklasse. Ihm lag es ob, die
jungen Augen zu dem Erfassen der Formen zu
erziehen. Von der Natur ausgehend, immer die
Natur als alleinige Grundlage empfindend, ge-
wöhnte er den Schüler an das rascheste Erfassen
der Bewegung. Er ließ Objektdarstellungen
nach der Erinnerung üben, so einen Ausgleich
suchend zwischen naturalistisch detaillierter Ab-
schrift und allzu schematisierender stilistischer
Linienabstraktion. Denn das aus der Natur
geholte Vorstellungsbild blieb nun in seinen
starken, wichtigen Hauptakzenten in dem repro-
duzierenden Willen haften. Indem Roller die
Reihenfolge von Bewegungs-Impressionen und
die verschiedenen charakteristischen Formen
nebeneinander abwandeln ließ, richtete er die
Auffassung der durch keinen Akademismus ver-
blasenen, naiv frischen Augen der jungen
Generation auf die Vereinfachung der Linien;
auf das Weglassen und auf das Betonen. Was

1918. XI. 5.

so erstrebt und auch in glänzender Weise er-
reicht wurde, war Durchdringung der Natur-
erscheinung und gleichzeitig das Erfassen einer
stilistischen Ordnung — dieser erschauten Natur.

Reiches Keimen lohnte die Saat. Österreichs
ganz eigentümliche, pittoreske, farbenblühende
und linear sinnlich schwellende Graphik hat in
den ersten Jahrgängen der neu organisierten
Kunstgewerbeschule ihre Vorbereitung gefun-
den. Wenn Czeschkas starke Persönlichkeit
Hamburgischer Kunst seine Prägung gibt, wenn
Dellavilla, wenn Margold und noch viele an-
dere, die durch das Mischblut heterogener
Nationalitäten sinnlich warme, durch den Wiener
Gräzisismus dennoch edel gebundene öster-
reichische Stilweise verbreiten, so muß man
rückblickend auf die Fundamente solcher Ent-
wicklungen weisen: auf die Schule, der sie
entstammen, und auf den festumrissenen Zu-
sammenschluß der Stilempfindungen, welche
jene maßgebenden Führer unter dem Namen
„DieKlimt-Gruppe" vereinigte. Eine Sehnsucht
nach rein dekorativ malerischen oder dekorativ
formalen Problemen, nach einem nur als Farbe

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