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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Wüest, C.: Neue Ziele und Wünsche für die deutsche Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0398

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Neue Ziele und Wünsche für die deutsche Architektur.

mat strikte vergan-
gen sein? —■ Ein
weiterer Punkt. Es
wurde einem wohl
ums Herz, als end-
lich wieder reich
und voll mit Zierat
und Schmuckstük-
ken gebaut wurde.
Der elende Pietis-
mus der Kärglich-
keit! Wir wollen
einfach essen, aber
köstlich wohnen.
Warum aber nur
dieser eine, direkte
Weg der Steige-
rung, in Anbringung
des Reichtums sel-
ber? Warum nicht
ein verhaltenes dies
nur Erratenlassen?
Warum kein Rück-
kauf einer Front
bester Geschäftslage zum
einzigen Zweck der Ver-
größerung eines zum Rat-
haus hinweisenden Markt-
platzes , der Herstellung
eines verschlossenen, rück-
wärts in den Garten sich
entwickelnden Bürgerhau-
ses? Warum keine Fassa-
den in neu durchdachtem
Zopfstil mehr, mit dem ein-
zigen Schmuck der rhyth-
mischen Symmetrie und
stattlichen Größe? Es fehlt
auch unsern Landhäusern
an gelegentlich englischer
Sachlichkeit des äußern
Eindrucks, und damit die
letzte Nuance über der
Schönheit stehender Ele-
ganz. Alles wird sichtbar,
alles soll wirken! Jenestiii-
vergnügte Baulust im Ver-
borgenen, jenes Verstek-
ken idyllischer Sommer-
häuschen hinter Linden
und Gartenmauern, alles
scheint verloren zu sein.
Und endlich: wo blieb
bei allen Freipässen der
Künstlerlaune der künst-
lerische Wagemut ? Wo
ist der Dachkünstler des

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ENTWURF: CKSAK KLEIN-BERLIN. FARBIGE VERGLAS UNG

stumpfen Winkels,
wo der kecke Er-
bauer der Häuser
mit fünf Fronten,
wo die ergötzliche
Aufteilung einer
Straßenseite mit
Fenstern, wo man
sie grade braucht,
und wo sie, siehe
da, die Mauer erst
noch ganz vorzüg-
lich gliedern? Wo
blieb überhaupt
der Baumeister der
Schrullen und der
Scheuklappen un-
ter lauter brauch-
baren Normalge-
sichtern das blin-
zelnde Original? —
Mankönnle solcher
und ähnlicher Glos-
sen noch mehr an-
führen; aber wo sie hinaus-
wollen, dürfte klar gewor-
den sein. Der Gang der
Dinge hat dem Architek-
ten das Heft in die Hand
gegeben; kaum, daß er
noch ein Mitspracherecht
des Auftraggebers duldet.
Und auch das soll gut so
sein: dann aber über-
nimmt der Baumeister auch
die ganze rein menschliche
Verantwortlichkeit für das
durch die Gegenwarts-
architektur geprägte Ab-
bild unsrer Zeit. — Es muß
ein gefügiges und gern
gehorchendes Völklein in
den Gartenstädten bei-
sammen sein, wo dieser
souveräne Architekten-
wille am uneingeschränk-
testen herrscht. Aberliegt
nicht in dieser Unterbin-
dung der baulichen Her-
zenswünsche eines nun
doch auch nach und nach
zu besserem Geschmack
gewöhnten Volkes gerade
die größte Gefahr herein-
brechender akademischer
Trockenheit? ......

ENTW: M. LEHMANN-STEGLITZ. VERGLASUNG. DR. C. WÜEST-AROSA (SCHWEIZ).

1913. XI. 9.

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