Die moderne Schweizer Schule. Ausstellung Wiesbaden.
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MAX BUR1 BRIEN/..
GEMÄLDE »JASSER«
Künstlers, sich eine neue Formsprache zu er-
obern, Interesse verdienen. — Der Schweizer
ist im allgemeinen Realist vom reinsten Wasser
und gleich seinen alemannischen Stammesge-
nossen nicht frei von rustikaler Derbheit.
In der Kunst Max Buris hat diese Rasse-
eigentümlichkeit ihren prägnantesten Ausdruck
gefunden, wobei allerdings auch die damit ge-
setzten Schwächen sich geltend machen: ich
meine jene allzugroße Erdenschwere, jenen
Mangel höherer Gesichtspunkte, kurz, seinen
oft etwas kleinlichen Naturalismus. Vor Jahren
schien es mir einmal, als ob sich in den großen
Bauernbildern des Meisters neue Monumental-
kunst vorbereite. Die „Jasser" und der „Hand-
orgler" (Abb. S. 392 u. 393) sind aber doch nur
lebensgroßes Genre, und darin liegt der Fehler.
Auf das Format des Plakates reduziert, würde
die souveräne Beherrschung der Mittel, die zu-
weilen fast emailartig leuchtende Farbe, die
virtuose Zeichnung (man sehe diese Hände!)
ihre Wirkung nicht verfehlen.
Aber alles das kann nicht hindern, sich der
Gesundheit, Kraft und Frische dieser Kunst,
ihrer großen farbigen und zeichnerischen Quali-
täten zu freuen. In seiner Art schlechthin voll-
endet ist das Porträt des Papa Wenger, das
ganz hell in hell modelliert, in der Delikatesse
seiner auf Gelb un d Schwarz gestellten Harmonie
an beste japanische Farbendrucke erinnert. —
Und doch ist auf diesem Boden eine Gestalt
wie Ferd. Hodler erwachsen, der die stärkste
Absage an den Naturalismus und Materialismus
innerhalb der modernen Malerei bedeutet und
dem beschieden war, eine neue, ganz auf dem
abstrakten Ausdruckswert der Linie aufgebaute
Seelenkunst zu begründen. „Die Linie führt, sie
spricht, sie hält den Ton, sie gibt den Takt, sie
flicht das Einzelne zur Gruppe, sie organisiert
die ganze Komposition" sagt Artur Weese in
seiner Studie über den Meister. Man weiß, wie
der Künstler das alte Prinzip der Reihung, (er
nennt es das Gesetz des Parallelismus) d. h.
Wiederholung desselben Linien-Motivs, zu
392
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MAX BUR1 BRIEN/..
GEMÄLDE »JASSER«
Künstlers, sich eine neue Formsprache zu er-
obern, Interesse verdienen. — Der Schweizer
ist im allgemeinen Realist vom reinsten Wasser
und gleich seinen alemannischen Stammesge-
nossen nicht frei von rustikaler Derbheit.
In der Kunst Max Buris hat diese Rasse-
eigentümlichkeit ihren prägnantesten Ausdruck
gefunden, wobei allerdings auch die damit ge-
setzten Schwächen sich geltend machen: ich
meine jene allzugroße Erdenschwere, jenen
Mangel höherer Gesichtspunkte, kurz, seinen
oft etwas kleinlichen Naturalismus. Vor Jahren
schien es mir einmal, als ob sich in den großen
Bauernbildern des Meisters neue Monumental-
kunst vorbereite. Die „Jasser" und der „Hand-
orgler" (Abb. S. 392 u. 393) sind aber doch nur
lebensgroßes Genre, und darin liegt der Fehler.
Auf das Format des Plakates reduziert, würde
die souveräne Beherrschung der Mittel, die zu-
weilen fast emailartig leuchtende Farbe, die
virtuose Zeichnung (man sehe diese Hände!)
ihre Wirkung nicht verfehlen.
Aber alles das kann nicht hindern, sich der
Gesundheit, Kraft und Frische dieser Kunst,
ihrer großen farbigen und zeichnerischen Quali-
täten zu freuen. In seiner Art schlechthin voll-
endet ist das Porträt des Papa Wenger, das
ganz hell in hell modelliert, in der Delikatesse
seiner auf Gelb un d Schwarz gestellten Harmonie
an beste japanische Farbendrucke erinnert. —
Und doch ist auf diesem Boden eine Gestalt
wie Ferd. Hodler erwachsen, der die stärkste
Absage an den Naturalismus und Materialismus
innerhalb der modernen Malerei bedeutet und
dem beschieden war, eine neue, ganz auf dem
abstrakten Ausdruckswert der Linie aufgebaute
Seelenkunst zu begründen. „Die Linie führt, sie
spricht, sie hält den Ton, sie gibt den Takt, sie
flicht das Einzelne zur Gruppe, sie organisiert
die ganze Komposition" sagt Artur Weese in
seiner Studie über den Meister. Man weiß, wie
der Künstler das alte Prinzip der Reihung, (er
nennt es das Gesetz des Parallelismus) d. h.
Wiederholung desselben Linien-Motivs, zu
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