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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0466

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Kleine Ktinst-Nachrichten.

ARCHITEKT CURT LESCHNITZER- BERLIN.

WELTAUSSTELLUNG GENT »DEUTSCHE ABTEILUNG«

von Brüssel. Und nun kam Gent. Es kam eine
schwere, eine unbegreifliche, eine unverantwortliche
Enttäuschung. In Brüssel hatte das Reich seine
volle Macht für die Ausstellung deutscher Produk-
tivität eingeset3t; für Gent wollte die Regierung
nichts tun, sie weigerte jede Hilfe, ja, sie lieg durch
entsprechende Maßnahmen ausschlaggebende Kreise
von einer Beschickung der Ausstellung abhalten.
Diese Stellungnahme der Reichsregierung, die durch
den Rat der „ständigen Ausstellungskommission"
veranlaßt worden war, läßt sich gewiß verstehen,
wenn einseitig die ohne Zweifel anmaßende Ab-
sicht der Stadt Gent in die Wagschale gelegt wird.
Es ist eine Dreistigkeit, daß eine Stadt, die kaum
von größerer Bedeutung ist als etwa das deutsche
Magdeburg, eine Weltausstellung ausschreibt, und
dies umsomehr, als erst drei Jahre zuvor in
der nur eine Stunde entfernt liegenden Haupt-
stadt des Landes eine Weltausstellung stattgefunden
hat. Nach dem Abkommen, das seit kurzem „inter-
national" geschlossen worden ist, wäre die „Genter
Weltausstellung" als eine wilde zu brandmarken
gewesen. Es wird künftighin eine internationale
Aufgabe sein, solche gewalttätigen Vorstöße ein-
zelner Kommunen zu verhindern. Ohne Zweifel,
die Provinzstadt Gent gewinnt durch diese Kon-
zentration von Menschen und Gütern, von Händlern
und Käufern beachtenswerte Vorteile ; für einige
Monate in das Interesse des allgemeinen Marktes
gerückt und von Fremden überflutet, wird sie von
der Regie solcher ungewöhnlichen Zeit zum min-
desten einiges in die Alltäglichkeit der nachfolgen-

den Jahre hinüberretten. So verbessert Gent seinen
Etat auf Kosten der Industrie des Auslandes. Es
wäre gut zu verstehen, wenn diese Industrie bei
der Ungewißheit direkter oder indirekter Aus-
stellungserfolge geschlossen die Beschickung solch
willkürlich und egoistisch zusammengetrommelter
Weltjahrmärkte verweigern würde. Dann aber muß
solche Weigerung eine allgemeine und eine ab-
solute sein. Die Ausschließung eines einzelnen
Landes ist eine Unmöglichkeit und muß diesem
notwendig Schaden bringen. Als es bekannt wurde,
daß Frankreich ungewöhnliche Anstrengungen für
die Genter Weltausstellung aufbringen wolle, hätte
sich Deutschland, wenn auch widerwillig,
entschließen müssen, gleichfalls mitzutun.
Frankreich hatte diesmal mehr denn je ein Inter-
esse daran, sich gerade auf belgischem Boden
bemerkbar zu machen ; die Franzosenfreundlichkeit
der Wallonen steht in heftigem Kampf gegen die
deutschgesinnten Vlamen. Im Zentrum Flanderns
die Tricolore als das einzige Banner der Kultur
aufzupflanzen, war geradezu ein Lebensinteresse
der französischen Industrie. Gerade darum hätten
wir auf dem Plan sein müssen, hätten nicht dulden
dürfen, daß Paris wiederum in den Mittelpunkt der
belgischen Welt drang. Die „Ständige Ausstellungs-
kommission" und die von ihr beratene Reichs -
stelle sind von dem Vorwurf nicht freizusprechen,
den dramatischen Augenblick, da Frankreich die
deutschen Erfolge von Brüssel zuschanden machen
wollte, verpaßt zu haben. So sind Frankreichs
Absichten gelungen, und es gehört zu den Tisch-

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