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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Jaumann, Anton: Kunstgenuss
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0024

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FRIEDRICH STAHL- MÜNCHEN.

BLUMENSTÜCK »ZYKLAMEN«

KUNSTGENUSS. Objektiven Kunstgenuß
gibt es nicht. Du glaubst, dem Kunstwerk
ganz unvoreingenommen gegenüberzutreten, ob
es nun eine griechische Sklavin, eine Madonna
des Raffael, eine gotische Apostelfigur oder ein
Schauspielerbildnis von Slevogt ist. Mein Lie-
ber, das ist ein frommer Selbstbetrug. Da be-
waffnest du dich mit allem Rüstzeug der Wis-
senschaftern denZeitgeist, die Vorbedingungen,
aus denen heraus das Kunstwerk entstanden
ist, um bis in die letzten Kleinigkeiten hinein
Lebensumstände, Abstammung, Schule und Be-
einflussungen des Meisters zu erfassen, damit
das Kunstwerk ganz so auf dich wirke, wie es
entstanden ist, wie es der Schöpfer gedacht hat.

Allein, bedenke, niemand ist so subjektiv dem
Werke gegenüber als der Künstler selbst. Wer
das Kunstwerk aus dessen Zeit heraus beur-
teilen will, müßte genau so befangen sein, wie
jene Zeit und wie auch der Künstler selbst war.
Wer aber mit den Augen einer fremden Zeit auf
das Kunstwerk sieht, ist notwendig ungerecht.

Ich höre immer die Phrase: Spätere Zeiten
werden erst unsere Werke objektiv nach ihrem
wahren Wert beurteilen. Eine trügerische Hoff-
nung ! So voreingenommen wir selbst unserer
Kunst und der alten Kunst gegenüberstehen, so
ungerecht werden auch alle kommenden Ge-
schlechter sein. Nichts ist so wandelbar als die
sogenannten „ ewigen Gesetze des Schönen", a. j.
 
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