Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

DOI Artikel:
Kurth, W.: Tizians Venus mit Orgelspieler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0058

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CARL STOCK.

»STUCKRELIEF«

TIZIANS VENUS MIT ORGELSPIELER

EINE NEUE ERWERBUNG DES KAISER FRIEDRICH-MUSEUMS ZU BERLIN.

Ein seltenes Glück mit Energie ergriffen und
weiser Umsicht durchgeführt, ließ dem
Kaiser Friedrich-Museum in Berlin eine Er-
werbung gelingen, wie sie im 19. Jahrhundert
zu den größten Seltenheiten gehört hat. Die
bedeutenden Werke der Großmeister der Hoch-
renaissance zählten schon im 18. Jahrhundert
zu den umstrittensten Spekulationsobjekten der
Kunst- und Pracht-
liebe reicher Fürsten-
häuser. Als jüngste
unter den großen Ga-
lerien Europas ist es
der Berliner Galerie
dennoch gelungen,
besonders in den
letzten vierzig Jah-
ren, unter der um-
fassenden Kraft von
Bode's in die erste
Reihe der großen Ga-
lerien einzutreten.
Selbst in den für
staatliche Institutio-
nen schweren Zeiten
des Krieges konnte
das Museum seinen
Schätzen eins seiner
bedeutendsten Mei-
sterwerke zuführen,
die „Venus mit dem
Orgelspieler" von Ti-
zian, das vor kurzer
Zeit aus dem Ver-
steck eines südtiro-
ler Schlosses im Wie-
ner Kunsthandel auf-
tauchte. — Das Bild
repräsentiert in ge-

K. STOCK-FRANKFURT. »GEDENKSTEIN IN EINER KIRCHE«

wissem Sinne das ganze Wesen der venetiani-
schen Malerei. Die Gestalt derruhendennackten
Frau erhoben die Maler dieser Stadt zu einem
der eigentümlichst enProbleme der ganzen Kunst.
Die heitere Genußfreude ihres üppigen Lebens
hat in der ruhigen Glückseligkeit der Schönheit
des nackten Weibes ihren reinsten Niederschlag
gefunden. Und in dieser verklärten Ruhe grüßt

von ferne der Geist
der antiken Kunst.
Tizians starke Sinne,
die auch den Greis
nie altern ließen, hat
dem Symbol der ru-
henden Schönheit
durch die illustre Ge-
sellschaft von Kava-
lieren und Schloß-
gärten im Hinter-
grund den üppigen
Glanz eines kulturel-
len Reichtums gege-
ben. Der siebzigjäh-
rige Meister, der um
1548 dieses Werk
malte, zieht hier in
gewissem Sinne die
Summe eines Teils
seiner künstlerischen
Existenz. Gerade in
dieser zweiten Hälfte
seines Schaffens er-
hebt sich seine Ge-
staltungskraft mit
souveräner Macht zu
jener Höhe, die in
dem Menschen die
elementaren Urkräf-
te verdeutlichen. —
 
Annotationen