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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Klein-Diepold, Rudolf: Bemerkungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0197

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HERMANN
GEIBEL-
MÜNCHEN.
KLEINPLASTIK
IN BRONZEGUSS.

Es ist ein unschätzbares Glück, wenn uns ge-
wisse Ideen nicht vor der Zeit vermittelt
werden, Bücher nicht zu früh in die Hände ge-
raten; den eigentlich schöpferischen Naturen
blüht diese Gunst aus ihrer inneren Anlage,
indem sie äußere Einflüsse instinktiv ablehnen,
bevor die innere Reife sie herzuruft. In ihnen
wächst die Erkenntnis durch äußere Einwirkung
und der innere Zustand gewissermaßen gleich-
mäßig zu neuen und eigenen Ideen sich ent-
gegen. Wer den überlieferten Begriff nur auf-
nimmt ohne innere Gegenwirkung, vermag ihn

nicht umzuprägen.------

Ä

Die großen Genien haben nicht lange auf In-
spiration gewartet, sie haben systematisch ge-
arbeitet, wie die Handwerker. Ihr Antrieb ist
der Wille, dessen Stärkegrad sie vom Durch-
schnitt unterscheidet. —

Es gibt keine verkannten Genies; die Anlage
ist bei den fraglichen vielleicht vorhanden, doch
in irgend einem Punkte, meist einem solchen
des Charakters unvollkommen. — Hier ist
auch der Grund für alle die Ausreden zu suchen,
die manche zweifellos begabte Menschen vor-
bringen : „ weshalb sie nicht zur Arbeit kommen ".
— Dem eigentlichen Genie, gleichviel auf wel-

chem Gebiet, ist Leben und Arbeiten dasselbe.
— Wie sehr aber das wirkliche Genie ein Göt-
tergeschenk ist und nicht die Frucht des Fleißes,
erkennt man daran, daß die Größten ihre schön-
sten Leistungen oft wie spielend und scheinbar
zufällig verrichten. — Der Stoff gestaltete sich
aus ihnen ohne sonderliches Zutun.--

Das Leiden, ein großer Schmerz, ein tiefes
Erlebnis machen Jeden, wenn auch nur für
Augenblicke genial: er sieht und empfindet
Menschen, Dinge und Welt in der Stunde aus der
Tiefe und von einem großen Gesichtspunkt aus
überblickt er die Ferne: er denkt als Künstler!
&

Der Wert der Jugend ruht darin, die Dinge
ohne zersetzendes Urteil mehr unbewußt auf-
zunehmen, sodaß sie auf diese Weise recht ohne
unser Zutun ein wirklicher Einschlag unseres
eigenen Seelengewebes werden und dadurch,
dieses bereichernd, der Keimboden unseres
Empfindungslebens und späteren Gestaltungs-
vermögens überhaupt.-----

£

Wie sehr geistige Tätigkeit den Typus formt,
erkennt man nicht selten am Unterschiede der
Jugend- und Altersbildnisse jener Dichter und
 
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