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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Duve, Helmuth: Neues Kopenhagener Porzellan
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Jensen, Jul. Alexander: Das zweite Gesicht: Eine Erwiderung auf den gleichnamigen Aufsatz von A. J. erschienen in Nr. 4/5 des XXI. Jahrgangs
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0142

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Neues Kopenhagener Porzellan.

einem Bären ein kleines Schratwesen in welt-
verlachender Ausgelassenheit, ein beschauliches
Entenpaar und ein brummig dreinschauendes
Märktweib mit grober Sackschürze .... alles
Dinge von außerordentlicher Feinheit im
Ausdruck, kunstgewerbliche Erzeugnisse aller-
ersten Ranges. Die führende Stellung der
Kopenhagener Manufaktur unter den Manufak-
turen Europas half der reich entwickelte, für
Stilreinheit äußerst empfindliche, kunstgewerb-
liche Geschmack des dänischen Volkes mitbe-
gründen. Der Däne hat einen liebevollen Sinn

für die ihn umgebenden Dinge des täglichen
Lebens. In der Wohnungskultur ist er uns ganz
besonders, was die Pietät alten Möbelformen
gegenüber betrifft, weit voraus. Der deutsche
Durchschnittsgeschmack krankt seit den berüch-
tigten Gründerjahren an einer Seuche, Mobiliar
nur materiell zu werten, und davon ist keine
wesentliche Besserung zu erhoffen, als bis Bilder-
stürmer in Deutschland auftreten, welche die
entsetzlichen Fabrikmöbel und die viel zu vielen,
protziger Staffage dienenden Nippes und Wand-
bilder in den Orkus befördern, helmuth duve.

DAS ZWEITE GESICHT.

eine erwiderung

auf den gleichnamigen aufsatz von a.j. erschienen in nr. 4/5 des xxi. jahrgangs.

Es ist das höchste, was Kunst überhaupt zu
geben vermag, nicht das Ding, wie es sich
den Augen des Künstlers darbietet, wiederzu-
geben, sondern seinen tiefsten Inhalt, seine
Seele im Bilde darzustellen. Dieses innerste
Wesen des Dinges sei, so meint Herr A. J., nur
den wenigen „begnadeten" Menschen wahr-
nehmbar, denen das zweite Gesicht angeboren
ist. Aber meines Erachtens sind es garnicht so
wenige Menschen, die etwas davon in sich
haben. Eigentlich besitzt es jeder Mensch —
ein jeder, der nicht nur mit dem Verstand allein
das Äußere eines Dinges wahrnimmt, sondern
der sich mit ganzer Seele darin hineinfühlen
kann. Für dieses Hineinversenken in die Seele
des „toten" Dinges, gibt der Aufsatz des Herrn
A. J. einige schöne Beispiele. Der eine kann
das intensiver als der andere; aber die Men-
schen, denen die Fähigkeit inneren Miterlebens
und Mitempfindens vollkommen abgeht, ge-
hören sogar in unserem vielfach so materiellen
Zeitalter zu den traurigen Ausnahmen. Wohl
ein jeder sieht in einer erblühenden Rose, oder
in einem jungen Baum im Frühlingsblüten-
schmuck mehr als nur das „botanische Wesen",
wenn auch der eine bei dem Anblick mehr er-
lebt als der andere.

Derartige Gefühle, die sich an das Betrachten
eines Dinges knüpfen, will nun Herr A. J. —
nach dem Beispiel der „Bäume im Frühling"
zu urteilen — an sich auf die Leinwand bringen:
er will sie in durcheinander sprühenden Farben
und Linien ausdrücken, ohne das Ding, das
diese Gefühle erregt, darzustellen. Aber meint
denn Herr A. J., daß in einem unbefangenen
Beschauer durch dieses Bild dieselben Emp-
findungen wachgerufen werden, die hineinge-
legt worden sind?! Welcher Mensch, und sei
er mit noch soviel Phantasie begabt, wird in

einem „Lohen", in „glühenden Strahlen, die
gleich Raketen in die Luft wachsen", in „bren-
nender Erde" die „Sonnensehnsucht und Lie-
besglut der Erde, die sich entlädt in den blühen-
den Bäumen", herausfühlen? — Nein, nur die
abstrakten Gefühle darzustellen, ohne uns das
Wesen zu zeigen, das sie erweckt: Das ist nicht
Aufgabe der bildenden Kunst! Ein wirklich
genialer Künstler, dessen künstlerische Fähig-
keiten dem Flug seiner Phantasie, dem Über-
schwang seiner Intuitionen folgen können und
sie wiederzugeben vermögen, der hätte die
„Bäume im Frühling" so tief beseelt dargestellt,
daß sie in den fühlenden Menschen die Gefühle
der „Sonnensehnsucht und Liebesglut" wecken
müssen, die der Künstler selber empfunden hat.
Denken wir an die genialste Wiedergabe der
Landschaft, wie sie uns Rembrandt in seinen
Radierungen bietet! Hier finden wir keinen
„Spiegel", keinen „Abklatsch" der Natur, keine
bloß konkrete Wahrheit, sondern wir sehen be-
seelte Natur vor uns, deren Stimmung wir mit-
erleben. Und viele hundert große und auch
kleinere Künstler sind diese Wege gegangen,
und haben in mannigfachen Landschaftsbildern
mehr gegeben als nur eine wirklichkeitstreue
Photographie. Sie haben die Landschaft durch
die Gefühle, die sich in ihnen selbst bei ihrem
Anblick regten, belebt dargestellt und haben so
dem Bilde die Seele gegeben. Denn erst ein
beseeltes Bild ist ein wirkliches Kunstwerk. —
Was aber Herr A. J. will, hieße eine Seele
ohne Bild auf die Leinwand zu heften. Das ist
sicherlich viel leichter als ein beseeltes Bild zu
malen, und auf diese Weise wird es auch nicht
künstlerisch begabten Menschen, die nur phan-
tasievoll genug sind, möglich, sich „künstlerisch"
zu betätigen. Sinnlos sind solche Bilder, denn
niemand kann sie aus sich heraus verstehen.
 
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