PAUL SCHEURICH ALS GRAPHIKER.
IN Künstler ist der, dem
das Auffinden oder Erfin-
den neuer Formen ohne
Rücksicht auf nutzbrin-
gende Verwertbarkeit die
höchste Freude ausmacht,
der aufrichtiger u. selbst-
-=boto^ • • yy.y loser Begeisterung fähig
»st, ohne durch die menschliche Befangenheiten
oder eitle Benachteiligungsbedenken für seine
Person beeinträchtigt zu werden. Recht vielen
Berufsgenossen ist nämlich die klägliche und
wei»g förderliche Selbsttäuschung, dem Ge-
schauten gewachsen oder überlegen zu sein,
wertvoller, als die Freude rückhaltlos bewun-
dernden Genießens. —Ein weiteres Kennzeichen
der wirklichen Künstlernatur ist die fröhlich
unbekümmerte Zuversichtlichkeit, mit der sie
gestaltet und sich entwickelt, wie ihr ums Herz
ist, ohne auf jeweils Geltung beanspruchende
Bewertungstabellen oder Marktnachfrage Be-
dacht zu nehmen. — Nachtwandlerisch seine
scheinbar zufälligen Bahnen ziehend, schafft
sich so der Künstler unbewußt mit fast hell-
seherischer Feinfühligkeit die günstigsten Be-
tätigungsmöglichkeiten, wie sie vielleicht die
geschickteste Umsicht nie fände.
Denn die beharrliche Unbeirrtheit der Aus-
drucksart und eine mit Behagen vorgetragene,
offensichtlich hingebungsvoll geliebte Formen-
und Gedankenwelt zieht doch Aufmerksamkeit
und Interesse auf sich und eine gestaltungs-
und beziehungsreiche Darstellungsfähigkeit wird
als stets erwünschte Anregung der Vorstellungs-
kraft dankbare Aufnahme finden, sogar um so
gewisser in einer Zeit, die in Überschätzung
des nur Technischen über dem Zünftlerischen
das Bedürfnis des Beschauers nach Unterhai-
jung durch Vorgang und Sinn des Dargestellten
Inicht bloß durch manuelle oder optische Vir-
tuosenkunststückchen) unbefriedigt läßt.
fc-ine verständigungshemmende Behinderung
verschulden nun jene Übereifrigen, die neu
entdeckte Gesetzmäßigkeiten zwischen Form
und Wirkung zum einzig gültigen Dogma unter
Ausschluß aller sonst möglichen Kunstformen
oder Anschauungsarten zu stempeln bemüht
sind und deren unheilvolles Treiben meist in
dem beschämenden Eingeständnis zu enden
Pflegt, daß der Künstler etwas bislang Ver-
pöntes und als abgetan Hingestelltes neuerdings
wieder „dürfe". — Der Künstler darf alles!
Was aus starken, schöpferischen Lebens-
energien geboren wird, erweist durch seine
Existenz seine Daseinsberechtigung. — Wert
und Unwert eines Kunstwerkes werden nicht
dadurch bedingt, ob gerade Naturabzeichnen
oder Aus-dem-Gefühl-arbeiten das wandelbare
Geschick trifft, geschätzt zu werden.
Wer sich jeder, bei der Suche nach neuerAus-
drucksform aufgespürten, jeweils besonders be-
liebten und Interesse verbürgenden Auffassung
anpassen kann, ist meist der schwächere Küns tlcr.
Paul Scheurich hat ein freundliches Schicksal
in gnadenreicher Götterlaune die glückliche
Begabung zu leichter Gestaltungsfähigkeit ge-
schenkt. In unerschöpflich anmutenden Kas-
kaden quellen und drängen seine Schöpfungen
aus dem Füllhorne seiner bildnerischen Kraft,
wie ein Sinnbild der Lebensfreude, als ob sich
das Walten unerforschter Naturmächte in ihnen
offenbare. — Seine beschwingte Seele findet
selbst in der beengenden Umgitterung erschwe-
rendster Arbeitsbedingungen den Ausweg zu
künstlerischer Freiheit. — (Man überlege sich
dabei einmal, wieviel mehr dazu gehört, in
einer vorgeschriebenen, meist äußerst knappen
Arbeitszeit bei einem gegebenen Thema eine
klar vorgefaßte Absicht zu Ende zu führen und
ohne lange Versuche und ohne Beeinträch-
tigung des Künstlerischen die dem Zwecke an-
gemessene Lösung einer Aufgabe unter Be-
rücksichtigung der beschränkenden Verviel-
fältigungstechnik zu finden, als wenn sich der
Künstler ungemessene Zeit lassen kann, auf
das förderliche Schlepptau eines starken intui-
tiven Antriebes oder auf seine „Sternenstunde"
zu warten und nach Laune und Tauglichkeit
versuchen und verwerfen darf.)
Wenn Scheurich aber aus freier Neigung
schafft (wie es heute erfreulicherweise fast
ausschließlich geschieht), so gewinnt er aus der
unbegrenzten Formenfülle doch immer bei
reichster Anreihung reizvoller Einzelheiten
einen klaren, großzügigen Aufbau.
Mir scheint die Neigung des Künstlers zur
Auffindung anmutiger Körperbewegungen, der
Hang zur Anwendung von glitzernden, präch-
tigen und kulturvollen Gegenständen und der
Forschungseifer, welche Linienführung eine
empfindsame Gefühlsregung überzeugend zum
Ausdruck bringt, ein jedem natürlichen Schön-
heitssinn notwendiges und künstlerisch hoch-
wichtiges Betätigungsbedürfnis und ich kann
XXI. April 19U. j
IN Künstler ist der, dem
das Auffinden oder Erfin-
den neuer Formen ohne
Rücksicht auf nutzbrin-
gende Verwertbarkeit die
höchste Freude ausmacht,
der aufrichtiger u. selbst-
-=boto^ • • yy.y loser Begeisterung fähig
»st, ohne durch die menschliche Befangenheiten
oder eitle Benachteiligungsbedenken für seine
Person beeinträchtigt zu werden. Recht vielen
Berufsgenossen ist nämlich die klägliche und
wei»g förderliche Selbsttäuschung, dem Ge-
schauten gewachsen oder überlegen zu sein,
wertvoller, als die Freude rückhaltlos bewun-
dernden Genießens. —Ein weiteres Kennzeichen
der wirklichen Künstlernatur ist die fröhlich
unbekümmerte Zuversichtlichkeit, mit der sie
gestaltet und sich entwickelt, wie ihr ums Herz
ist, ohne auf jeweils Geltung beanspruchende
Bewertungstabellen oder Marktnachfrage Be-
dacht zu nehmen. — Nachtwandlerisch seine
scheinbar zufälligen Bahnen ziehend, schafft
sich so der Künstler unbewußt mit fast hell-
seherischer Feinfühligkeit die günstigsten Be-
tätigungsmöglichkeiten, wie sie vielleicht die
geschickteste Umsicht nie fände.
Denn die beharrliche Unbeirrtheit der Aus-
drucksart und eine mit Behagen vorgetragene,
offensichtlich hingebungsvoll geliebte Formen-
und Gedankenwelt zieht doch Aufmerksamkeit
und Interesse auf sich und eine gestaltungs-
und beziehungsreiche Darstellungsfähigkeit wird
als stets erwünschte Anregung der Vorstellungs-
kraft dankbare Aufnahme finden, sogar um so
gewisser in einer Zeit, die in Überschätzung
des nur Technischen über dem Zünftlerischen
das Bedürfnis des Beschauers nach Unterhai-
jung durch Vorgang und Sinn des Dargestellten
Inicht bloß durch manuelle oder optische Vir-
tuosenkunststückchen) unbefriedigt läßt.
fc-ine verständigungshemmende Behinderung
verschulden nun jene Übereifrigen, die neu
entdeckte Gesetzmäßigkeiten zwischen Form
und Wirkung zum einzig gültigen Dogma unter
Ausschluß aller sonst möglichen Kunstformen
oder Anschauungsarten zu stempeln bemüht
sind und deren unheilvolles Treiben meist in
dem beschämenden Eingeständnis zu enden
Pflegt, daß der Künstler etwas bislang Ver-
pöntes und als abgetan Hingestelltes neuerdings
wieder „dürfe". — Der Künstler darf alles!
Was aus starken, schöpferischen Lebens-
energien geboren wird, erweist durch seine
Existenz seine Daseinsberechtigung. — Wert
und Unwert eines Kunstwerkes werden nicht
dadurch bedingt, ob gerade Naturabzeichnen
oder Aus-dem-Gefühl-arbeiten das wandelbare
Geschick trifft, geschätzt zu werden.
Wer sich jeder, bei der Suche nach neuerAus-
drucksform aufgespürten, jeweils besonders be-
liebten und Interesse verbürgenden Auffassung
anpassen kann, ist meist der schwächere Küns tlcr.
Paul Scheurich hat ein freundliches Schicksal
in gnadenreicher Götterlaune die glückliche
Begabung zu leichter Gestaltungsfähigkeit ge-
schenkt. In unerschöpflich anmutenden Kas-
kaden quellen und drängen seine Schöpfungen
aus dem Füllhorne seiner bildnerischen Kraft,
wie ein Sinnbild der Lebensfreude, als ob sich
das Walten unerforschter Naturmächte in ihnen
offenbare. — Seine beschwingte Seele findet
selbst in der beengenden Umgitterung erschwe-
rendster Arbeitsbedingungen den Ausweg zu
künstlerischer Freiheit. — (Man überlege sich
dabei einmal, wieviel mehr dazu gehört, in
einer vorgeschriebenen, meist äußerst knappen
Arbeitszeit bei einem gegebenen Thema eine
klar vorgefaßte Absicht zu Ende zu führen und
ohne lange Versuche und ohne Beeinträch-
tigung des Künstlerischen die dem Zwecke an-
gemessene Lösung einer Aufgabe unter Be-
rücksichtigung der beschränkenden Verviel-
fältigungstechnik zu finden, als wenn sich der
Künstler ungemessene Zeit lassen kann, auf
das förderliche Schlepptau eines starken intui-
tiven Antriebes oder auf seine „Sternenstunde"
zu warten und nach Laune und Tauglichkeit
versuchen und verwerfen darf.)
Wenn Scheurich aber aus freier Neigung
schafft (wie es heute erfreulicherweise fast
ausschließlich geschieht), so gewinnt er aus der
unbegrenzten Formenfülle doch immer bei
reichster Anreihung reizvoller Einzelheiten
einen klaren, großzügigen Aufbau.
Mir scheint die Neigung des Künstlers zur
Auffindung anmutiger Körperbewegungen, der
Hang zur Anwendung von glitzernden, präch-
tigen und kulturvollen Gegenständen und der
Forschungseifer, welche Linienführung eine
empfindsame Gefühlsregung überzeugend zum
Ausdruck bringt, ein jedem natürlichen Schön-
heitssinn notwendiges und künstlerisch hoch-
wichtiges Betätigungsbedürfnis und ich kann
XXI. April 19U. j