Werke deutscher Künstler des ig. Jahrhunderts.
professok lovis corinth— berlin.
im 19. Jahrhundert angepaßt. Weicher und
milder erscheint der „Frühling" Karl Boeheims,
der bisher wenig bekannt geworden ist. Eine
frühe Landschaft von Hans Thomä aus dem
Jahre 1876 „Sturm im Wiesengrund" ist eine
jener Überraschungen, mit der echte Kunst jede
Konvention treffen wird. Gewohnt das be-
wegte Leben der Natur in pathetisch-theatra-
lischer Komposition zu sehen, wie die Kon-
vention der siebenziger Jahre es liebte, greift
hier das tiefe Erleben eines naiven Auges auch
bei jenem unscheinbaren Motiv zu, um Natur-
gewalten zum Ausdruck zu bringen. Das Bild-
nis des Künstlers Gattin aus dem Jahre 1900
gehört zu seinen schönsten Werken. Die stille
Verehrung für eine ganz in sich ruhende und
geschlossene Menschenseele hat hier ein Porträt
erstehen lassen, das an Holbeins berühmte Frau
mit den Kindern in Basel erinnert. Auch hier
geht der Blick über materielle Aufdringlichkeit
des Objektes hinweg und wird durch eine un-
geheure Sparsamkeit in der Führung derHaupt-
» wild-stilleben« ausst. fr. gurlitt.
linien, die durch Gegensätze sich steigern, be-
sonders die starren Fensterlinien, auf die see-
lischen Akzente hingeleitet. Die Empfindung
und die Formengebung ist von einer rührenden
Keuschheit, die selbst bei Thoma selten ist.
Nicht nur die Erscheinung, sondern die ganze
Existenz eines Menschen ist hier begriffen und
gestaltet worden.
Von Lovis Corinth zeigt die Ausstellung ein
großes Wildstilleben aus dem Jahre 1910 aus
der reifsten Zeit des Meisters, der in diesem
Jahre seinen sechzigsten Geburtstag feiert.
Der starke Wille dieses großen und lebhaften
Malertemperamentes bleibt nicht an einem ge-
schmackvollen Arrangement haften, sondern
enthüllt mit einem wundervoll blondem Licht
das Leben lockeren Gefieders und weichen
Felles: schafft das Erlebnis einer wirklichen
Existenz und verbindet die Schönheit der
Farbe mit einer Geschlossenheit des Tons; eine
Verbindung, die an die Werte alter Meister
denken läßt............... dr. w. kurth.
91
XXI. Juni 1918. 2
professok lovis corinth— berlin.
im 19. Jahrhundert angepaßt. Weicher und
milder erscheint der „Frühling" Karl Boeheims,
der bisher wenig bekannt geworden ist. Eine
frühe Landschaft von Hans Thomä aus dem
Jahre 1876 „Sturm im Wiesengrund" ist eine
jener Überraschungen, mit der echte Kunst jede
Konvention treffen wird. Gewohnt das be-
wegte Leben der Natur in pathetisch-theatra-
lischer Komposition zu sehen, wie die Kon-
vention der siebenziger Jahre es liebte, greift
hier das tiefe Erleben eines naiven Auges auch
bei jenem unscheinbaren Motiv zu, um Natur-
gewalten zum Ausdruck zu bringen. Das Bild-
nis des Künstlers Gattin aus dem Jahre 1900
gehört zu seinen schönsten Werken. Die stille
Verehrung für eine ganz in sich ruhende und
geschlossene Menschenseele hat hier ein Porträt
erstehen lassen, das an Holbeins berühmte Frau
mit den Kindern in Basel erinnert. Auch hier
geht der Blick über materielle Aufdringlichkeit
des Objektes hinweg und wird durch eine un-
geheure Sparsamkeit in der Führung derHaupt-
» wild-stilleben« ausst. fr. gurlitt.
linien, die durch Gegensätze sich steigern, be-
sonders die starren Fensterlinien, auf die see-
lischen Akzente hingeleitet. Die Empfindung
und die Formengebung ist von einer rührenden
Keuschheit, die selbst bei Thoma selten ist.
Nicht nur die Erscheinung, sondern die ganze
Existenz eines Menschen ist hier begriffen und
gestaltet worden.
Von Lovis Corinth zeigt die Ausstellung ein
großes Wildstilleben aus dem Jahre 1910 aus
der reifsten Zeit des Meisters, der in diesem
Jahre seinen sechzigsten Geburtstag feiert.
Der starke Wille dieses großen und lebhaften
Malertemperamentes bleibt nicht an einem ge-
schmackvollen Arrangement haften, sondern
enthüllt mit einem wundervoll blondem Licht
das Leben lockeren Gefieders und weichen
Felles: schafft das Erlebnis einer wirklichen
Existenz und verbindet die Schönheit der
Farbe mit einer Geschlossenheit des Tons; eine
Verbindung, die an die Werte alter Meister
denken läßt............... dr. w. kurth.
91
XXI. Juni 1918. 2