Holzschnitte von Josef Weiß.
JOSEF WEISS—MÜNCHEN.
HOLZSCHNITT »WALCHEN-SEE«
eigenen Weg. Bei Ehmcke hat er Schwarz-
Weiß kennen gelernt. In den antiken Vasen
sieht er ähnliches, stärkeres. In unendlicher
Fülle sieht er die Werke großer Meister, aber
die Fülle geht vorüber oder sie stört nicht den
Einzelgänger, zerstreut ihn nicht. Da bricht der
große Krieg aus. Ein Jahr ist er noch auf der
Schule. Wieder wirken die Ereignisse auf ihn
nicht zerstreuend, nicht wie ein Bilderbuch,
nicht illustrierbar, sondern sammelnd, bildne-
risch fesselnd, klar und doch traumhaft; kri-
stallisierend, nicht erzählend, nicht literarisch.
Die Form macht den Künstler. — Im Sommer
1915, ein Jahr nach Eintritt in die Schule, legte
mir Weiß eine große Reihe erster Arbeiten vor.
Da war nicht mehr die Frage, ob er für den
künstlerischen Beruf taugt, — da wars sicher,
das ist und bleibt Einer unter Ungezählten und
Namenlosen. — Bald darauf wird Weiß einge-
zogen — uniformiert als Artillerist. Er kommt
an die russische Front, macht schwersten Dienst
und schwerste Tage durch. Aber der ernste
Jüngling unterliegt nicht den furchtbaren see-
lischen Eindrücken, der körperlichen Anstreng-
ung. Die große, endlose Melancholie der russi-
schen Landschaft, das Schwere setzt er um in
Bilder der Landschaft, in Bilder der größeren
Welt, die in ihm, die mittenheraus führt aus un-
serer apokalyptischen Zeit. Wird man je letzten
Blättern wie „Schöpfung", „Erschaffung des
Weibes" glauben, daß sie von einem Künstler
geschaffen d. h. konzipiert, gezeichnet, in Holz
geschnitten — im Halbdunkel eines engen
Schützengrabens des Weltkrieges? Und von
einem Künstler von kaum 23 Jahren? —
2. DER KÜNSTLER UND SEINE WELT.
Weiß schuf bisher Holzschnitte (einige der ersten
Arbeiten sind inLinoleum geschnitten) von aller-
lei Gehalt. Landschaften der nächsten Heimat,
Bildnisse, Tierbilder, Exlibris, dann aber The-
men tiefsten Gehalts. Geschehnisse des Welt-
krieges, die nicht Illustrationen des Tages sind,
nein Bilder der Verzweiflung des ganzen Vol-
kes, der Welt. Christus ist das große Thema, das
immer wieder anklingt — braußend wie Bach-
sche Fugen, die gotische Hallen erzittern machen.
Drei Große leben in ihm wieder auf — unbe-
wußt, frei und neu. Dürer, Michelangelo, Bosch.
Einige der wunderbaren Kompositionen des
großen flandrischen Einzelgängers hat Weiß bei
mir wenigstens in Lichtbildern flüchtig gesehen.
Aber in diesem starken selbstmächtigen Ge-
stalter ist alles Konzeption, alles neue Frucht.
Hier ist nichts von der Art jener kopierenden
Komponisten des Nazarenertums, die Michel-
angelo und Rubens sahen und nun Michelangelo
JOSEF WEISS—MÜNCHEN.
HOLZSCHNITT »WALCHEN-SEE«
eigenen Weg. Bei Ehmcke hat er Schwarz-
Weiß kennen gelernt. In den antiken Vasen
sieht er ähnliches, stärkeres. In unendlicher
Fülle sieht er die Werke großer Meister, aber
die Fülle geht vorüber oder sie stört nicht den
Einzelgänger, zerstreut ihn nicht. Da bricht der
große Krieg aus. Ein Jahr ist er noch auf der
Schule. Wieder wirken die Ereignisse auf ihn
nicht zerstreuend, nicht wie ein Bilderbuch,
nicht illustrierbar, sondern sammelnd, bildne-
risch fesselnd, klar und doch traumhaft; kri-
stallisierend, nicht erzählend, nicht literarisch.
Die Form macht den Künstler. — Im Sommer
1915, ein Jahr nach Eintritt in die Schule, legte
mir Weiß eine große Reihe erster Arbeiten vor.
Da war nicht mehr die Frage, ob er für den
künstlerischen Beruf taugt, — da wars sicher,
das ist und bleibt Einer unter Ungezählten und
Namenlosen. — Bald darauf wird Weiß einge-
zogen — uniformiert als Artillerist. Er kommt
an die russische Front, macht schwersten Dienst
und schwerste Tage durch. Aber der ernste
Jüngling unterliegt nicht den furchtbaren see-
lischen Eindrücken, der körperlichen Anstreng-
ung. Die große, endlose Melancholie der russi-
schen Landschaft, das Schwere setzt er um in
Bilder der Landschaft, in Bilder der größeren
Welt, die in ihm, die mittenheraus führt aus un-
serer apokalyptischen Zeit. Wird man je letzten
Blättern wie „Schöpfung", „Erschaffung des
Weibes" glauben, daß sie von einem Künstler
geschaffen d. h. konzipiert, gezeichnet, in Holz
geschnitten — im Halbdunkel eines engen
Schützengrabens des Weltkrieges? Und von
einem Künstler von kaum 23 Jahren? —
2. DER KÜNSTLER UND SEINE WELT.
Weiß schuf bisher Holzschnitte (einige der ersten
Arbeiten sind inLinoleum geschnitten) von aller-
lei Gehalt. Landschaften der nächsten Heimat,
Bildnisse, Tierbilder, Exlibris, dann aber The-
men tiefsten Gehalts. Geschehnisse des Welt-
krieges, die nicht Illustrationen des Tages sind,
nein Bilder der Verzweiflung des ganzen Vol-
kes, der Welt. Christus ist das große Thema, das
immer wieder anklingt — braußend wie Bach-
sche Fugen, die gotische Hallen erzittern machen.
Drei Große leben in ihm wieder auf — unbe-
wußt, frei und neu. Dürer, Michelangelo, Bosch.
Einige der wunderbaren Kompositionen des
großen flandrischen Einzelgängers hat Weiß bei
mir wenigstens in Lichtbildern flüchtig gesehen.
Aber in diesem starken selbstmächtigen Ge-
stalter ist alles Konzeption, alles neue Frucht.
Hier ist nichts von der Art jener kopierenden
Komponisten des Nazarenertums, die Michel-
angelo und Rubens sahen und nun Michelangelo