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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Braungart, Richard: Neue Arbeiten von Ferdinand Staeger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0123

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FERDINAND STAEGER—MÜNCHEN. »HERBSTLIED« bes. Landesgalerie prag.

NEUE ARBEITEN VON FERDINAND STAEGER.

VON RICHARD BRAUNGART.

Es ist erst im Januar 1916 gewesen, daß
in diesen Heften von dem in München
lebenden österreichischen Zeichner und Maler
Ferdinand Staeger ausführlich die Rede war.
Daß heute schon wieder eine Veröffentlichung
über diesen Künstler möglich ist, die an Viel-
gestaltigkeit des Materials jene andere beinahe
in den Schatten stellt, beweist mehr, als es die
beredtesten Worte vermöchten, wie unerhört
fleißig, aber auch wie unerschöpflich reich dieser
Dichter mit dem Stift ist. Denn wäre er das
Letztere nicht, so könnte sein Fleiß doch nur
zu ermüdenden, unkünstlerischen Wiederhol-
ungen von bereits (und besser) Gesagtem führen.
Nichts davon ist bei Staeger zu spüren. Dem
ersten Blick freilich will es manchmal scheinen,
als habe man Ähnliches, ja genau dasselbe schon
von ihm gesehen. Aber es ist nur seine beson-
dere Technik des Zeichnens, dieses wunder-
liche krause Ineinanderweben unzähliger feiner
und feinster Striche gleich den Fäden eines
Teppichs, das manchen zu diesem Trugschluß
verleiten mag. Bei genauerem Betrachten und
längerem Sich-Beschäftigen mit den neuen Ar-
beiten verbessert sich das Urteil rasch und von

selbst. Zwar: gewisse Lieblingsmotive wieder-
holen sich; aber wo ist der Künstler, in dessen
Werk das nicht festzustellen wäre?

Und im übrigen gilt auch für diesen Fall, daß
es nicht das Gleiche ist, wenn zwei das Gleiche
tun. Bei Staeger nämlich bedeutet ein Variieren
eines Motivs stets ein völliges Neuschaffen, ein
Aufbauen von Grund aus, sodaß ein anderer
Organismus, ein Kosmos im Kleinen entsteht,
dessen Gesetze mit ihm geboren sind und dessen
Geheimnisse sich nur dem erschließen, der nicht
von außen, sondern von innen an sie heranzu-
kommen sucht. Mit anderen Worten: Man
wird den Arbeiten Staegers solange ratlos gegen-
überstehen, als man sie mit andern vergleicht
(hier ist nichts zu vergleichen) oder nach den
heute üblichen Maßstäben (von denen keiner
passen kann) mißt. Staeger ist der Typus eines
Außenseiters, wenn auch nicht ohne Vorläufer
und Ahnen — sein Stammbaum läßt sich, nicht
nur in der österreichischen Kunst, sogar weit
zurückverfolgen —; und schon die unerhört
reiche Gegenständlichkeit seiner Blätter, vol-
lends aber deren fast immer vorhandener er-
zählender oder phantasierender Inhalt bringt

XXI. Juni 1918. 4
 
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