Neue Arbeiten von Ferdinand Staeger.
machen. Die Art der Linienführung Staegers,
sein Strich und vor allem der Geist seiner Blätter
ist grunddeutsch; und Namen wie Schwind und
wohl auch Richter umschreiben am klarsten die
Welt, aus der Staeger kommt und zu der er
uns mit sanfter Gewalt wieder hinführt.
Vielleicht erklärt sich die Eigentümlichkeit
Staegers, daß Bäume und Häuser, Wolken und
Berge, Menschen und Tiere in vollkommener
Ebenbürtigkeit nebeneinander stehen, aus einem
ungewöhnlich stark entwickelten Alleinheits-
gefühl, das keine Unterschiede kennt und darum
alles, was dem Auge sich darstellt, mit der
gleichen Liebe umfaßt. Ein Fichtenzweig, Eich-
hörnchen, die sich darauf wiegen, Gräser und
Blumen, Steine und Blätter: alles scheint einem
Künstler wie Staeger ebenso wert, auf das
Sorgfältigste durchgebildet zu werden wie der
Mensch selbst, der ihm nicht Krone, sondern
ein Teil, zuweilen sogar nur ein winziges Teil-
chen der Schöpfung ist. Ein Kindchen, das
auf dem Waldboden sitzt und mit einem Fichten-
zapfen spielt, oder ein anderes, das hoch oben
in den schwanken Zweigen einer Urwaldfichte
Ausguck hält: wir müssen sie alle eigentlich
erst suchen und empfinden sie keineswegs als
Hauptsache, als „Pointe". Und so ziemlich
dasselbe gilt von der köstlichen Meeresidylle,
wo ein Kindchen auf einem Blumenfloß, von
wildschäumenden Wellen und gräulichen Meer-
ungetümen umdroht, selig lächelnd und sicher
dahintreibt, von seiner Unschuld behütet.
Nicht immer freilich ist Staeger Idylliker und
Träumer wie in diesen und ähnlichen Blättern.
Jedenfalls wäre es falsch, ihn einen Optimisten
schlechthin zu nennen. Denn es gibt Arbeiten
von ihm, aus denen schrille Schmerzensschreie
eines an der Welt Verzweifelnden erschreckend
aufgellen. Die figurenreiche Kriegsphantasie,
in der man vielleicht eine Allegorie der All-
vergänglichkeit, eine Sintflut der Ideale, alles
Schönen, Edlen und Heiligen erkennen darf,
ist ein Beispiel für viele, wie bitterernst bis
zum Tieftragischen Staeger sein kann, ja, wie
gewisse Grundstimmungen, die sonst in seinem
Schaffen nur als Erinnerungsmotive anklingen,
sich in solchen Schöpfungen mit elementarer
Gewalt zu erschütternden Gestalten formen.
Es mag auffallend sein, daß ein Künstler dieser
Art als Kriegsmaler fast nur das Idyllische,
das ihm begegnete, mit echt persönlicher
Feinheit und fast biedermeierlicher Liebens-
würdigkeit festgehalten hat. Aber es gibt eine
umfangreiche Komposition von ihm, in der alles
Entsetzen und alles Große dieses Krieges in
einer ungeheueren Sinfonie von unzählbaren
Menschenleibern zusammenklingt, ein Bild,
eigentlich mehr kolorierte Zeichnung, das an
Eigenart das Meiste übertrifft, was über dieses
Thema von andern gesagt worden ist. Unsere
Wiedergabe zeigt den unteren Teil dieses „Tep-
pichs des Grauens und des Todes ". Eines dürfte
aus der Betrachtung der neueren Schöpfungen
Staegers als sichere Erkenntnis noch hervor-
gehen: daß hier eine ungewöhnliche zeich-
nerische Kraft für Unterrichtszwecke noch völlig
ungenutzt brach liegt. Und es wäre deshalb
zu wünschen, daß man sich ihrer an geeigneter
Stelle bei Zeiten versicherte; denn ein Staeger
ist nicht alle Tage zu haben..........r. b.
machen. Die Art der Linienführung Staegers,
sein Strich und vor allem der Geist seiner Blätter
ist grunddeutsch; und Namen wie Schwind und
wohl auch Richter umschreiben am klarsten die
Welt, aus der Staeger kommt und zu der er
uns mit sanfter Gewalt wieder hinführt.
Vielleicht erklärt sich die Eigentümlichkeit
Staegers, daß Bäume und Häuser, Wolken und
Berge, Menschen und Tiere in vollkommener
Ebenbürtigkeit nebeneinander stehen, aus einem
ungewöhnlich stark entwickelten Alleinheits-
gefühl, das keine Unterschiede kennt und darum
alles, was dem Auge sich darstellt, mit der
gleichen Liebe umfaßt. Ein Fichtenzweig, Eich-
hörnchen, die sich darauf wiegen, Gräser und
Blumen, Steine und Blätter: alles scheint einem
Künstler wie Staeger ebenso wert, auf das
Sorgfältigste durchgebildet zu werden wie der
Mensch selbst, der ihm nicht Krone, sondern
ein Teil, zuweilen sogar nur ein winziges Teil-
chen der Schöpfung ist. Ein Kindchen, das
auf dem Waldboden sitzt und mit einem Fichten-
zapfen spielt, oder ein anderes, das hoch oben
in den schwanken Zweigen einer Urwaldfichte
Ausguck hält: wir müssen sie alle eigentlich
erst suchen und empfinden sie keineswegs als
Hauptsache, als „Pointe". Und so ziemlich
dasselbe gilt von der köstlichen Meeresidylle,
wo ein Kindchen auf einem Blumenfloß, von
wildschäumenden Wellen und gräulichen Meer-
ungetümen umdroht, selig lächelnd und sicher
dahintreibt, von seiner Unschuld behütet.
Nicht immer freilich ist Staeger Idylliker und
Träumer wie in diesen und ähnlichen Blättern.
Jedenfalls wäre es falsch, ihn einen Optimisten
schlechthin zu nennen. Denn es gibt Arbeiten
von ihm, aus denen schrille Schmerzensschreie
eines an der Welt Verzweifelnden erschreckend
aufgellen. Die figurenreiche Kriegsphantasie,
in der man vielleicht eine Allegorie der All-
vergänglichkeit, eine Sintflut der Ideale, alles
Schönen, Edlen und Heiligen erkennen darf,
ist ein Beispiel für viele, wie bitterernst bis
zum Tieftragischen Staeger sein kann, ja, wie
gewisse Grundstimmungen, die sonst in seinem
Schaffen nur als Erinnerungsmotive anklingen,
sich in solchen Schöpfungen mit elementarer
Gewalt zu erschütternden Gestalten formen.
Es mag auffallend sein, daß ein Künstler dieser
Art als Kriegsmaler fast nur das Idyllische,
das ihm begegnete, mit echt persönlicher
Feinheit und fast biedermeierlicher Liebens-
würdigkeit festgehalten hat. Aber es gibt eine
umfangreiche Komposition von ihm, in der alles
Entsetzen und alles Große dieses Krieges in
einer ungeheueren Sinfonie von unzählbaren
Menschenleibern zusammenklingt, ein Bild,
eigentlich mehr kolorierte Zeichnung, das an
Eigenart das Meiste übertrifft, was über dieses
Thema von andern gesagt worden ist. Unsere
Wiedergabe zeigt den unteren Teil dieses „Tep-
pichs des Grauens und des Todes ". Eines dürfte
aus der Betrachtung der neueren Schöpfungen
Staegers als sichere Erkenntnis noch hervor-
gehen: daß hier eine ungewöhnliche zeich-
nerische Kraft für Unterrichtszwecke noch völlig
ungenutzt brach liegt. Und es wäre deshalb
zu wünschen, daß man sich ihrer an geeigneter
Stelle bei Zeiten versicherte; denn ein Staeger
ist nicht alle Tage zu haben..........r. b.