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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Lux, Joseph August: In Memoriam Otto Wagner - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0212

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SILBER GETR.
STAATSWAPPEN
AUF DEM DECKEL.

BILDHAUER

MICHAEL

POWOLNY-WIEN.

IN MEMORIAM OTTO WAGNER-WIEN.

VON JOSEPH AUG. LUX.

Nach Klimt — Otto Wagner! Das ist der
andere Tragiker unter den Meistern des
Wiener Bodens. Ein ganz Großer, der an den
allzu vielen Kleinen scheitern mußte. An dem
traditionellen Undank, mit dem Wien gerade
die Besten lohnt. Nicht, daß die Pygmäen es
vermocht hätten den Künstler zu hindern, sein
Genie zu zeigen. Nein, die Urkraft des Begna-
deten ist zu stark und zu elementar, als daß
sich der schöpferische Born zurückstauen ließe;
er sucht andere Wege und reißt sich ein Bett,
wenn irgendwo seinem direkten Lauf ein Damm
gesetzt wird. Der Damm der Dummheit und
der kleinlichen Gesinnung hat der vollen prak-
tischen Auswirkung dieses Künstlers ein zu
großes Hindernis bereitet, das er nie vollständig
besiegen konnte, soviel edle Kraft und Über-
zeugungskunst er auch an die Bewältigung dieses
unwürdigen Widerstandes setzte. Allerdings
wird der Strom der schöpferischen Ideen nicht
durch äußere Hemmungen unterbunden; der
Künstler bucht getreulich, was seiner Intuition
und Schöpferkraft erschlossen ward; was die
Musen ihrem Liebling beschert, kann nicht ver-
loren gehen, soweit es der Künstler mit sich
und seinem Genius innerhalb der vier Wände
seines Ateliers zu tun hat. Aber es ist ein an-
deres, ob ein Dichter, Musiker oder Maler in
der Vereinsamung schafft, oder ein Architekt.
Dichtung, Malerei, Musik mögen von der Mit-
welt unbedankt bleiben; sie leben sobald sie
geschaffen sind, und der verdiente Lorbeer
bleibt nicht aus, wenn er auch spät kommen

mag. Der Architekt hingegen schafft in Stein
und Eisen und schlimm genug ist es, wenn sein
Ideenwerk verdammt ist, Papier zu bleiben.
Gewiß ist es auch dann nicht ganz verloren, die
Späteren werden aus dieser Fundgrube schöp-
fen und auswählen, was ihnen paßt. Doch ist
es nicht einerlei, wer baut, der Meister oder
der Epigone. Und Meister Otto Wagner hat
viele seiner schönsten Baugedanken nicht bauen
dürfen, weil es seine engeren Zeitgenossen nicht
gewollt haben. Das ist seine Tragödie. Er hat
zwar bei allen großen Konkurrenzen den ersten
Preis davongetragen, den Auftrag aber haben
andere bekommen, die im Vergleich mit ihm
Schwächlinge waren. Man fürchtete ihn, der
jedem Kompromiß abhold war und sich zu kei-
ner der gefälligen Konzessionen herbeiließ, die
die Mitwelt zur Bedingung stellt, die aber von
der Nachwelt dem Künstler nie verziehen wer-
den. Und Wagner meinte es zu ehrlich mit seiner
Kunst. Er dachte sie bis zu den letzten Kon-
sequenzen durch, und darum ward er der größte
Baukünstler, wie quantitativ gering auch das
scheinen mag, was er von seinen zahllosen Ent-
würfen und Konkurrenzen ausführen durfte.
Um die Ausmaße dieses Riesen zu erfassen, der
wie ein Atlant mehrere Weltgebäude von Kunst-
epochen auf seinen Schultern trug und mit jeder
spielend fertig wurde, muß man sich vergegen-
wärtigen, daß Wagner, der 1840 in Wien ge-
boren war, in seiner Jugend noch den Einfluß
Schinkels spürte, in der Zeit, da er in Berlin
auf der Bauakademie vorübergehend studierte.
 
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