Robert F. K. Scholtz Berlin-Grunewald.
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ROBERT F. K. SCHOLTZ —GRUNEWALD.
LITHOGRAPHIE »BEI DER LEKTÜRE«
schmeichlerisch in der Empfindung wie über-
zeugend in der Gestaltung, präsentiert sich die
lesende Dame, in der der Künstler seine
Gattin gleichsam verstohlen erspäht hat.
Doch vielleicht in noch höherem Maße spricht
Robert Scholtz sein künstlerisches Wesen aus,
wo er auf Radierungen und Lithographien als
Landschafter vor uns hintritt. Erhathier eine
Reihe von Blättern geschaffen, die als anmuten-
der Wandschmuck weiten Eingang zu finden
verdienen. Scholtz gehört nämlich zu denjenigen
Graphikern, die, nach des Engländers Bran-
gwyn Vorgang, einem bestehenden Vorurteil
zum Trotz, wieder die großen Formate be-
vorzugen. Das galt lange Zeit für völlig unzu-
lässig und selbst heute noch pflegt sich die
Praxis der meisten hiernach zu richten. Auch
Scholtz begann mit kleinen Blättern, etwa von
6 : 6 cm, oder von 10 :15, allenfalls von 25 : 20.
Indes um 1910 herum brach er mit dieser
Übung und wählte für beide Techniken Platten
von einem Umfange wie 35 : 26, 50 : 40, 60 : 48,
ja er stieg in vereinzelten Fällen bis auf 58,5:
78,5 und (in einer Gardaseelandschaft) auf das
Kolossalmaß von 78 :118,5 cm. Man verzeihe
diese Zahlenangaben. Für den, der sie zu lesen
versteht, werden sie nicht trocken sein. Jeden-
falls zeigen sie, in welcher Richtung sich un-
seres Künstlers darstellerischer Ehrgeiz be-
wegt; vor allem auf Landschaftsradierungen,
doch nicht selten auch bei Porträtwiedergaben.
Die hier ganzseitig abgebildeten Blätter gehören
sämtlich zu denen größten Formates und kom-
men erst als solche voll zu ihrer Geltung.
Scholtz als Landschafter dichtet gleichsam
mit dem Räume. Er versteht sich auf die sel-
tene und schwere Kunst, die leere Platten-
fläche, durch weise angebrachte Schattenpartien
und sicher gezogene Umrißlinien, raumbil-
dend zu verwerten. Ein vorzügliches Beispiel
hierfür ist der hier abgebildete Chiemsee mit
Fraueninsel, wo Wasserfläche und Himmels-
wölbung gleichsam durch ein Nichts wieder-
gegeben sind. Oder man sehe das herrliche
Blatt der sturmbewegten Pappel. Wie ein
gespenstischer Riesenrabe ballt sich in schwan-
ken Massen der einsame Baum vor dem weißen
Himmel. Man hört den Wind, der hindurch-
XXI. August 1916. 6
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ROBERT F. K. SCHOLTZ —GRUNEWALD.
LITHOGRAPHIE »BEI DER LEKTÜRE«
schmeichlerisch in der Empfindung wie über-
zeugend in der Gestaltung, präsentiert sich die
lesende Dame, in der der Künstler seine
Gattin gleichsam verstohlen erspäht hat.
Doch vielleicht in noch höherem Maße spricht
Robert Scholtz sein künstlerisches Wesen aus,
wo er auf Radierungen und Lithographien als
Landschafter vor uns hintritt. Erhathier eine
Reihe von Blättern geschaffen, die als anmuten-
der Wandschmuck weiten Eingang zu finden
verdienen. Scholtz gehört nämlich zu denjenigen
Graphikern, die, nach des Engländers Bran-
gwyn Vorgang, einem bestehenden Vorurteil
zum Trotz, wieder die großen Formate be-
vorzugen. Das galt lange Zeit für völlig unzu-
lässig und selbst heute noch pflegt sich die
Praxis der meisten hiernach zu richten. Auch
Scholtz begann mit kleinen Blättern, etwa von
6 : 6 cm, oder von 10 :15, allenfalls von 25 : 20.
Indes um 1910 herum brach er mit dieser
Übung und wählte für beide Techniken Platten
von einem Umfange wie 35 : 26, 50 : 40, 60 : 48,
ja er stieg in vereinzelten Fällen bis auf 58,5:
78,5 und (in einer Gardaseelandschaft) auf das
Kolossalmaß von 78 :118,5 cm. Man verzeihe
diese Zahlenangaben. Für den, der sie zu lesen
versteht, werden sie nicht trocken sein. Jeden-
falls zeigen sie, in welcher Richtung sich un-
seres Künstlers darstellerischer Ehrgeiz be-
wegt; vor allem auf Landschaftsradierungen,
doch nicht selten auch bei Porträtwiedergaben.
Die hier ganzseitig abgebildeten Blätter gehören
sämtlich zu denen größten Formates und kom-
men erst als solche voll zu ihrer Geltung.
Scholtz als Landschafter dichtet gleichsam
mit dem Räume. Er versteht sich auf die sel-
tene und schwere Kunst, die leere Platten-
fläche, durch weise angebrachte Schattenpartien
und sicher gezogene Umrißlinien, raumbil-
dend zu verwerten. Ein vorzügliches Beispiel
hierfür ist der hier abgebildete Chiemsee mit
Fraueninsel, wo Wasserfläche und Himmels-
wölbung gleichsam durch ein Nichts wieder-
gegeben sind. Oder man sehe das herrliche
Blatt der sturmbewegten Pappel. Wie ein
gespenstischer Riesenrabe ballt sich in schwan-
ken Massen der einsame Baum vor dem weißen
Himmel. Man hört den Wind, der hindurch-
XXI. August 1916. 6