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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Graf, Oskar Maria: Künstlerische Buchgewandung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0267

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GEORG SCHRIMPF MÜNCHEN.

»BUCHUMSCHLAG« GEFÄRBTES PAPIER.

KÜNSTLERISCHE BUCHGEWANDUNG.

VON OSKAR MARIA GRAF MÜNCHEN.

Wir haben heute keine Kunst mehr, die auf
den Gemeingeist richtungsbestimmend
einzuwirken vermag. Die heutige Kunst ist
vereinsamt, beziehungslos. Es fehlt ihr das
Bindende, das Vermittelnde zwischen Volk und
Künstler, zwischen Produzierendem und Auf-
nehmendem. Eine solche Vermittlermission
oblag zu Zeiten völkischer Hochkultur dem
Handwerk. Aus der gleichen Tendenz ist
vielleicht unser heutiges Kunstgewerbe empor-
geblüht. Auch ihm war zu Anfang wesent-
lichstes Richtmaß, die brache Kluft zwischen
Kunst undVolk auszufüllen, Brücken zu wölben,
Annäherungen und lebendige Wechselwirkungen
zwischen beiden zu schaffen und im Volke
wieder ein einheitliches Stilempfinden wachzu-
rufen, eines, das wieder hinauszuführen ver-
mochte aus der trägen Unkultur und Geschmack-
losigkeit des mechanischen Alltages, hinan zu
den tiefsten Quellen aller wahren Kultur: zu
einer völkisch-fundierten Kunst, die Ausdruck
einer Gesamtheit darstellte.

Diese Mission hat das Kunstgewerbe so gut
wie nicht erfüllt und wir sehen uns in unseren
Hoffnungen vielfach bitter enttäuscht. Mag sein,
daß das an der zunehmenden Industrialisierung

unseres Kunstbetriebes überhaupt lag, zum
Großteil aber trifft hier leider auch die Künstler
die Schuld. Die gewaltsame Einstellung auf
das veroberflächlichte Massenbedürfnis und die
damit notwendig mitgehende Außerachtlassung
aller ehrlich-künstlerischen Tradition, sowie die
noch immer mit aller Hartnäckigkeit vertretene
Ansicht, Kunstgewerbebetätigung seibestenfalls
ein belangloser Notbehelf, auf dessen Gefilden
sich jeder irgendwie geschickte Macher feixend
und schnörkelnd bauernfängerisch tummeln
könne, haben diesen Kunstzweig und besonders
seine größere Hälfte, das Kleinkunstgewerbe,
so mißkreditiert. Nur durch solche Ahnungs-
losigkeit konnte der heute auf diesem Gebiete
so überreich wuchernde Mischmaschkitsch groß-
gezogen werden und gerade hier fehlen noch
immer die stilweisenden, sichtenden, neube-
lebenden Kräfte. —

Von solcher Öde ist besonders unsere heutige
Buchgewandungskunst heimgesucht, ja wir glau-
ben sogar kaum zu hoch gegriffen zu haben,
wenn wir behaupten, daß mit Ausnahme eines
kleinen Teiles, allerdings mehr technisch vollen-
deter Stücke dieser Art, fast gar keine derartigen
Erzeugnisse, die den Anspruch auf rein künst-

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