Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

DOI article:
Zucker, Paul: Die Trivialisierung des Kunstwerkes: zur Psychologie des Kunstgenusses
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0295

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Trivialisierung des Kunstwerkes.

PROFESSOR L. V. HOFMANN—DRESDEN.

GEMÄLDE >LANDSCHAFT MIT FRAUEN«

berauschende, überwältigende sein. Eine Welt
von Gefühlen wird sich dem Hörer erschließen,
er wird vollkommen unter dem Eindruck der
Totalität des Kunstwerkes stehen, vielleicht
werden einzelne thematische Entwicklungen,
Melodien oder Motive ihm besonders auffallen
und sein Entzücken erregen, am stärksten
spricht jedoch nicht irgend ein einzelnes, son-
dern die „Gesamtstimmung", der musikalische
„Inhalt" des Kunstwerkes. Gegenüber diesem
überwältigenden Gesamteindruck werden sich
ihm, wenn er die Komposition zum zweiten
Mal aufnimmt, die einzelnen musikalischen Ge-
danken und ihre Ausdrucksformen klarer er-
schließen, Aufbau und Entwicklung werden
stärker hervortreten. Allmählich wird er jedes

Thema und seine Entwicklung verfolgen, der
Architektonik des Ganzen nachgehen können
und erst dann das Kunstwerk wirklich ver-
standen haben. Allerdings wird die Wucht des
Gefühles, das persönliche Empfinden nach und
nach mehr zurücktreten, wird der naive und
unbewußte Genuß mehr und mehr von der be-
wußten Freude am Formalen begleitet und
geleitet werden. Das ästhetische Verhalten des
Hörers entwickelt sich von der unklaren, ganz
den Eindrücken hingegebenen „ Stimmung ", dem
Empfindungs-Ideal der Romantik, zu einem ob-
jektivierenden, abgeklärteren klassischen Inter-
esse an der Form. Selbstverständlich bedeutet
diese Entwicklung nicht etwa eine Abschwäch-
ung des Empfindens, im Gegenteil! — es hat
 
Annotationen