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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 42.1918

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Prellwitz, Karl: Der Mensch und die Blume
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https://doi.org/10.11588/diglit.7199#0317

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MARIA CASPAR-FILSER—MÜNCHEN. GEMÄLDE »SOMMERLANDSCHAFT«

DER MENSCH UND DIE BLUME.

VON K. PRELL WITZ.

Warum hat man überhaupt so etwas wie
einen Blumenbinder? Warum wirklich?
Sehet die Lilien auf dem Felde . . . Wie sie
geschaffen sind, dem Auge ein Wohlgefallen.
Wahr, tausendfach wahr, daß die Geschmäcker
verschieden, aber wo hätte einer die Vermessen-
heit, da an der Schönheit zu zweifeln! Moose
und Farne, Eichen und Zypressen, Disteln und
Krokus, Aster und Geisblatt, wo sie stehen, in
Heide und Wald, Feld und Garten, überall ein
Entzücken, ein Leuchten, ein Duften, daß einem,
der nicht verstockten Herzens ist, die Sinne
vergehen.

Ich bin hinab in den Nußgarten gegangen,
zu schauen die Sträuchlein am Bach,
zu schauen, ob der Weinstock blühete,
ob die Granatäpfel grüneten.

So der König unter den Sängern, die Brust ge-
schwellt von Seligkeit und Lust. Nichts Lieb-
licheres vermag der Mensch in seinen besten

Stunden sich vorzustellen. Wie ein Kuß Gottes
in das Antlitz der Welt, so strahlt ihm die Knospe
in der Sonne Pracht.

Und wie, wenn er sich zum Herrn über diese
Herrlichkeit machen will? Wenn er, was er
mit begehrlichen Händen auf der Flur bricht,
heimträgt zur Freude von morgen und über-
morgen? Was muß er tun, damit es ihm nicht
gehe wie jenem, der überwältigt von der Unend-
lichkeit des flutenden Meeres, sich einen Napf
des Salzwassers schöpfte, und nachher von der
rollenden Woge nichts anderes hatte als ein
paar Tropfen schlammigen, von allerlei Getier
und Unrat wimmelnden Wassers? Wie sich die
Illusion des Meeres, der Wiese, des Rosenhags
hinüberretten in die eigene, beschränkte Welt?

Ja, wie das? Die Blüte, die er bricht, die
ihm weiter noch Entzücken schenken soll, kann
er doch nicht in der Hand behalten, wie es der
Mann mit der Nelke tut, den Jan van Eyck
 
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