Der Mensch und die ßlume.
Und allzusammen so gesund. ......
Als stünden sie noch auf Muttergrund.
So Goethe zu diesem Fall. Man sollte meinen,
dazu bedürfe es nicht viel des Witzes. Dinge
von so anmutiger Schöne brauchte man nur her-
zunehmen, so wie sie sind, nur zusammenzu-
bündeln, wie's gerade sich gibt: „. . . flechtet
auch blaue Cyanen hinein I" Die Hand kann gar
nicht fehlgreifen, alles ist ja schön. Es gehört
schon, meint man, eine gehörige Tölpelei dazu,
das Kunststück nicht zuwege zu bringen. Die
Natur, die herrliche, bietet die Schätze dar
wie im Schlaraffenland die Gans ihre Keule
und das Ei seinen Dotter. Doch auch der Diamant
ist voll seines Feuers und es bedarf des Menschen
Hand, um ihn zum Strahlen zu bringen. Un-
geschliffen, so wie er an Tag gebracht wird,
ungefaßt, ist er ein unscheinbares Gestein, un-
PROFKSSOR
RUD. BOSSELT-
MAGDEBURG.
BRONZEGRUPPE
»FRÜHLING«
scheinbarer als der Achat, der Türkis, der Topas,
der Granat oder so manch anderes, halbwertiges
Gebild. Das Wasser verbraust seine Kraft im
tosenden Bach und flutenden Strom, aber
Energie, Elektrizität, Werte schaffende Arbeit
wird es erst, wenn es vom Menschen gestaut
und in die rechte Bahn geleitet worden. Es ist
schon so, die Sphäre des Menschen ist nicht die
der Natur. Natur, wo der Mensch ihrer teilhaftig
zuwerdensucht.muß umgegossen werdenin seine
Form. Wie er die Artischocke nicht essen kann,
so wie sie vom Felde kommt, wie er die Wolle
erst umspinnen muß, so muß er auch die Blume,
die er um sich, neben dem Nähkorb, vor dem
Schreibzeug oder auf dem Teetisch haben will,
seiner Welt angleichen. Das Problem der Form,
das die großen Maler und Bildhauer in Ekstase
setzt, kennt auch hier im Wasserglas den Sturm.
305
XXI. September 1918. 5
Und allzusammen so gesund. ......
Als stünden sie noch auf Muttergrund.
So Goethe zu diesem Fall. Man sollte meinen,
dazu bedürfe es nicht viel des Witzes. Dinge
von so anmutiger Schöne brauchte man nur her-
zunehmen, so wie sie sind, nur zusammenzu-
bündeln, wie's gerade sich gibt: „. . . flechtet
auch blaue Cyanen hinein I" Die Hand kann gar
nicht fehlgreifen, alles ist ja schön. Es gehört
schon, meint man, eine gehörige Tölpelei dazu,
das Kunststück nicht zuwege zu bringen. Die
Natur, die herrliche, bietet die Schätze dar
wie im Schlaraffenland die Gans ihre Keule
und das Ei seinen Dotter. Doch auch der Diamant
ist voll seines Feuers und es bedarf des Menschen
Hand, um ihn zum Strahlen zu bringen. Un-
geschliffen, so wie er an Tag gebracht wird,
ungefaßt, ist er ein unscheinbares Gestein, un-
PROFKSSOR
RUD. BOSSELT-
MAGDEBURG.
BRONZEGRUPPE
»FRÜHLING«
scheinbarer als der Achat, der Türkis, der Topas,
der Granat oder so manch anderes, halbwertiges
Gebild. Das Wasser verbraust seine Kraft im
tosenden Bach und flutenden Strom, aber
Energie, Elektrizität, Werte schaffende Arbeit
wird es erst, wenn es vom Menschen gestaut
und in die rechte Bahn geleitet worden. Es ist
schon so, die Sphäre des Menschen ist nicht die
der Natur. Natur, wo der Mensch ihrer teilhaftig
zuwerdensucht.muß umgegossen werdenin seine
Form. Wie er die Artischocke nicht essen kann,
so wie sie vom Felde kommt, wie er die Wolle
erst umspinnen muß, so muß er auch die Blume,
die er um sich, neben dem Nähkorb, vor dem
Schreibzeug oder auf dem Teetisch haben will,
seiner Welt angleichen. Das Problem der Form,
das die großen Maler und Bildhauer in Ekstase
setzt, kennt auch hier im Wasserglas den Sturm.
305
XXI. September 1918. 5