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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Kuhn, Alfred: Augusta von Zitzewitz - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0126

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Augusta von Zitzewitz-Bertin.

augusta von zitzewitz.

gemälde > kinderbildnis«

Wir haben hier eine Menge Allgemeines ge-
sagt, aber wir haben immer von Augusta von
Zitzewitz gesprochen, denn diese Frau ist tat-
sächlich geschmackvoll, und wir sagen es immer
wieder und mit besonderer Betonung, da es
uns so unendlich viel erscheint. In ihren Bil-
dern ist das untrügliche Stilgefühl und die far-
bige Ausgeglichenheit des 18. Jahrhunderts, die
zwanglose Eingliederung der Kunst ins Leben,
eine wirklich gewachsene Kunst, eine Kunst
ohne Prätention, die niemals die eigene Peri-
pherie überschreitet, die sich nie im Format
vergreift, nie daran denkt, letzte Dinge zu ent-
hüllen, nie als Ausdruck einer das All suchen-
den Seele genommen werden will, voll Sinn
für Nuancen, für die Reize einer nervösen Hand,
für den Zusammenklang gewagter Farben.

Augusta von Zitzewitz begann bei Mosson
um 1910 herum. Nicht ohne Instinkt. In Paris
war sie im Kreis des Cafe du Dome bei den
Bondy, Levy und Pascin. Die Kultur der deli-
katen Farbe, die jener Kreis pflegte, der zarten,
oft perversen Linie, lag ihr.

In Berlin später blieb sie in diesen Bahnen,
unbeeinflußt von Kritik und Modeströmung.
Als die Zeit der großen Farbenorgien kam,
malte Augusta von Zitzewitz ihre anspruchs-

losen Stilleben mit den blaßgrünen Schling-
gewächsen und den violetten Blumenblättern
vor zartem Hintergrund. Als die Welt zer-
schlagen wurde, um in Rhomben und Zylindern
wieder aufgebaut zu werden, malte sie Kinder-
bilder, auf denen gelbe Kanarienvögel, rote Ele-
fanten und braune Bären das selig besonnte
Dasein des Kinderzimmers führen, als man die
Menschen nur noch als Gehäuse rauchender
Feuerseelen sah mit von der Dynamik unerhör-
ter Spannungen zerrissenen Gesichtern, ver-
sunken in das Grau und Schwarzbraun gren-
zenloser Verzweiflung, malte diese Frau wie ihre
gepuderten Großmütter, die Welt noch immer
voller Schönheit, Karussells mit auf weißen
Holzpferden dahinfliegenden Kindern unter dem
bunten Geflitter der Schaubudenmärchenwelt,
blonde Babys auf der Wiese, schlankbeinige
Frauen am Ufer des Meeres. Immer ans Nächste
sich anschließend, die Sujets im Haus, in der
Familie, im Freundeskreise findend.

Diese Unbeirrbarkeit, diese stilvolle Zeit-
losigkeit, verbunden mit einer immer wachsen-
den seelischen Vertiefung, hat es vermocht,
der Künstlerin die Aufmerksamkeit einer Kritik
zuzuwenden, deren Interesse sonst auf ande-
rem Gebiete liegt........ alfred kühn.

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