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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Niebelschütz, Ernst von: Deutsche Kunst und französische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0219

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Deutsche Kunst ttndfranzösische Kunst.

ist nur allzu erklärlich. Denn alles Ungesetz-
liche, dämonisch Unbestimmte und Überspannte
erweckt den Widerspruch dessen, der sich im
Besitz der Regeln weiß und seinen Schatz an
überlieferten Konventionen mit der Umsicht ei-
nesklugen und vorsichtigen Rechners verwaltet.

Liegt der romantische Zug zum Unbegrenz-
ten auf der allgemeinen Linie des germani-
schen Kunstwillens, so ist freilich nicht zu
übersehen, daß es hunderte von Beispielen gibt,
die den deutschen Geist in deutlicher Kampf-
stellung gegen dieses sein Erbteil zeigen,
Fälle eines heroischen Bemühens, des Roman-
tischen als einer Schwäche Herr zu werden
und es durch ein dauerhafteres Ideal zu er-
setzen oder doch unschädlich zu machen. Ich
meine hier nicht den steifleinenen Dogmatis-
mus der verschiedenen „Richtungen", der
oft allerdings nichts anderes ist als ein Selbst-
schutz der unruhig schweifenden Seele, son-
dern ich denke an die an den äußersten Gren-
zen der deutschen Möglichkeiten stehenden
höchsten Repräsentanten unseres Wesens, an
Dürer etwa oder Goethe, deren Leben und
Wirken uns deshalb so ehrwürdig und vorbild-
lich erscheint, weil es ein ununterbrochener

Reinigungsakt des durch Blufanteil romanti-
schen, durch Wahl und Wille klassischen
Menschen ist. Beiden ist die angestrebte Ver-
schmelzung ihres Wesens mit dem Form-
ideal des Südens von übereifrigen Patrioten
zum Vorwurf gemacht worden: als Minde-
rung ursprünglicher und angeblich hö-
herer Anlagen. Ich denke, mit Unrecht.
Was sie wollten: die Neutralisierung der ange-
borenen Prometheusnatur durch festere Bin-
dungen, war doch wohl nur in engster persön-
licher Berührung und Reibung mit dem Geiste
der Klassik zu erreichen. Man wandelt eben
auch in nordischen Nebeln nicht ungestraft.
Griechensehnsucht und Südheimweh (um
zwei Wortprägungen aus Bertrams Nietzsche-
Buch hier zu gebrauchen) — was sind sie an-
ders als Wirkungen der meist nur im deutschen
Unterbewußtsein heimischen Ahnung von der
Unmöglichkeit, unter bloß nordischen Voraus-
setzungen ein Ganzes zu werden? Und so
erklärt sich auch positiv die Anziehungskraft,
die von je die französische Kunst auf uns
ausübte. Es ist platter Unsinn, wenn heute
sogar französische Gelehrte behaupten, immer
wäre der deutsche Künstler nach Frankreich mit
 
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