AUSSTELLUNG DER „MÜNCHENER NEUEN SECESSION" SOMMER 1923.
Der Expressionismus ist schon seit geraumer
Zeit keine Kunstrichtung mehr, die einer
besonderen Verteidigung bedürfte. Journali-
stische Signale sind überflüssig mit dem Augen-
blick, wo die Liebhaber und der einsichtige Teil
des Publikums den Weg zu der Bereicherung
malerischer Möglichkeiten nachgefunden haben.
Zu Möglichkeiten, die anfangs — es ist gut, sich
ständig daran zu erinnern — überraschten und
entrüsteten. Mitläufer, Anempfinder, schwäch-
liche Sonderlinge, Halbbegabte, kurz alle, deren
Extravaganzen, deren Mangel an Ernst oder
Können jede neue Richtung in Mißkredit brin-
gen, sind heute erfreulicherweise vergessen und
der junge Nachwuchs, an dem es nicht fehlt,
schreitet folgerichtig weiter auf dem einmal ein-
geschlagenen Wege. Es gibt heute eine Kunst
mit geklärten Zielen, die vom Impressionismus
genau so weit entfernt ist, wie die heutige
GeistigkeU von der materialistischen Denkart
der Vorkriegsepoche. —
Das heißt nun nicht, daß man, um ein Wort
Goethes zu gebrauchen, gleichmäßig aus „vollen
Backen loben" müsse. Die Qualitäten sind und
bleiben sehr verschieden. Äußere Anerkennung,
die der Gesamtrichtung geworden ist, mag eine
Verlockung für die hoffnungslos Zahmen sein,
die mit einer erschreckenden Nüchternheit
Farbe, Zeichnung, selbst den literarischen In-
halt behandeln und deren Bilder anscheinend
mit Naturgesetzlichkeit immer gleich reihen-
weise auftreten. Sie fehlen in keiner Ausstel-
lung und es ist schließlich ein Zeichen von Kraft,
wenn in der „Münchener Neuen Secession"
solcher Beispiele verhältnismäßig wenige vor-
handen sind. Die Gruppe verfügt nach wie vor
im ganzen über eine beträchtliche Spannweite
der künstlerischen Temperamente.
XXVI. September 1923. 1
Der Expressionismus ist schon seit geraumer
Zeit keine Kunstrichtung mehr, die einer
besonderen Verteidigung bedürfte. Journali-
stische Signale sind überflüssig mit dem Augen-
blick, wo die Liebhaber und der einsichtige Teil
des Publikums den Weg zu der Bereicherung
malerischer Möglichkeiten nachgefunden haben.
Zu Möglichkeiten, die anfangs — es ist gut, sich
ständig daran zu erinnern — überraschten und
entrüsteten. Mitläufer, Anempfinder, schwäch-
liche Sonderlinge, Halbbegabte, kurz alle, deren
Extravaganzen, deren Mangel an Ernst oder
Können jede neue Richtung in Mißkredit brin-
gen, sind heute erfreulicherweise vergessen und
der junge Nachwuchs, an dem es nicht fehlt,
schreitet folgerichtig weiter auf dem einmal ein-
geschlagenen Wege. Es gibt heute eine Kunst
mit geklärten Zielen, die vom Impressionismus
genau so weit entfernt ist, wie die heutige
GeistigkeU von der materialistischen Denkart
der Vorkriegsepoche. —
Das heißt nun nicht, daß man, um ein Wort
Goethes zu gebrauchen, gleichmäßig aus „vollen
Backen loben" müsse. Die Qualitäten sind und
bleiben sehr verschieden. Äußere Anerkennung,
die der Gesamtrichtung geworden ist, mag eine
Verlockung für die hoffnungslos Zahmen sein,
die mit einer erschreckenden Nüchternheit
Farbe, Zeichnung, selbst den literarischen In-
halt behandeln und deren Bilder anscheinend
mit Naturgesetzlichkeit immer gleich reihen-
weise auftreten. Sie fehlen in keiner Ausstel-
lung und es ist schließlich ein Zeichen von Kraft,
wenn in der „Münchener Neuen Secession"
solcher Beispiele verhältnismäßig wenige vor-
handen sind. Die Gruppe verfügt nach wie vor
im ganzen über eine beträchtliche Spannweite
der künstlerischen Temperamente.
XXVI. September 1923. 1