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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Michel, Wilhelm: Ein deutscher Kunstkritiker des 18. Jahrhunderts, [2]: zu Mercks, des Goethefreundes, Aufsätzen über die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0353

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Ein deutscher Kunstkritiker des 18. Jahrhunderts.

Diese Sätze — die viel
auffallender und neuar-
tiger in ihrer Zeit stehen,
als wir es heute denken
können — heben mit
der Sicherheit des wahr-
haf tKundigen eine Wahr-
heit ins Licht, die erst
in unsern Tagen, z. B.
durch Hermann Nohls
Lehre von den verschie-
denen, weltanschaulich
gesonderten Künstler-
typen, eine endgültige
Prägung gefunden hat.
Es ist bei früherer Ge-
legenheit in diesen Blät-
tern ausgeführt worden,
welche Erweiterung des
Blickfelds, welche Ent-
lastung der Kunsterör-
terung von unnötigen
Konfliktsstoffen diese
Typenlehre bedeutet.
Wir sind zwar des Ab er-
glaubens, als sei in der
Kunst die eine, be-
stimmte, stets gleiche
Wirklichkeit zu finden,
seit langem entledigt.
Aber der andre Aber-
glaube, daß hinter den
verschiedenen künstle-
rischen Weltdeutungen
eine endgültige und
„ideale" stehen müsse,
ist noch in voller Blüte.
Auf ihm beruht die
Übung, künstlerischeEr-
scheinungen mit Vorbil-
dern zu vergleichen, die
wohl für eine künstle-
rische Weltanschauung,
nicht aber für alle vor-
bildlich sind. Auf ihm
beruht insbesondere das

Messen neuer Erscheinungen an Maßstäben,
die gerechter Weise gar nicht in Betracht kom-
menkönnen. Auf ihm beruht das ganze uferlose
Gerede von der wahren, der echten, der hohen
Kunst. Auf ihm beruht ein gutes Teil des un-
vernünftigen und unfruchtbaren Widerstandes,
dem künstlerische Dinge so oft begegnen.

Merck hat denn auch die weitertragende Be-
deutung seiner Sätze wohl gefühlt. Er läßt
seinen Laien einwerfen: „Es wäre doch aber
besser, wenn alle Teile gleich gut erreicht

OTTO KRISCHER. PLASTIK »MADCHEN«

wären." Der Künstler
meint darauf: „Freilich
wäre es besser, wenn
der Mensch ein Gott
wäre. Aber da dieses
eine Lästerung ist, so
wollen wir uns mit dem
begnügen, was er sein
kann. Wer nach allen
Endzwecken jagt, er-
reicht keinen. Nun muß
man fragen, ob der
Künstler den Endzweck
erreicht hat, den er sich
vorsetzte: und alsdann
ist er, wenn dieser einzi-
ge Endzweck der Kunst
entspricht und würdig
ist, ein großer Meister.
Wenn Rubens eine Göt-
ternacktheit darstellt, so
fordern Sie doch von
ihm nicht die Wahrheit
des Fleisches von Van
Dyck? Aber Sie wer-
den diese Wahrheit mit
Vergnügen wieder in
einem Gemälde finden,
wo Niemand als er, sei-
ne Frau und Kinder und
sein Hund stehen soll-
ten." — Der Laie be-
ginnt darauf einzusehen,
daß er dazu geführt wer-
den soll, alle verschie-
denen „Sekten" in der
Kunst genau so zu re-
spektieren wie die Sek-
ten in der Philosophie;
und er meint: „Ich weiß
gar wohl, was Vergleich-
ung für ein schädliches
Ding ist und wie man
auch dem größten Ver-
dienste dadurch eine
tödliche Wunde schla-
gen kann. Aber davon wimmelts in allen Kunst-
büchern, in allen Beschreibungen von Italien,
in Kritiken von Gemäldeausstellungen, räson-
nierenden Katalogen von Galerien usw." Der
Künstler weist diese Manie des fälschlichen
Vergleichens als stümperhaft ab: „Man würde
von diesem Übel nichts wissen, wenn diese
Bücher von Künstlern geschrieben wären. . . .
Alle Künstler sind tolerant in ihren Urteilen,
gerade weil sie wissen, was man leisten kann."
— Dies im wesentlichen der Gedankengang des
 
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