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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Ankwicz-Kleehoven, Hans: Ausstellung von Arbeiten des Modernen österreichischen Kunsthandwerks Wien 1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0038

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Ausstellung des österr. Kunsthandwerks Wien 1923.

ARCHITEKT HUGO GORGE—WIEN.

>WOHNRAUM R. LORENZ WIEN.

höherer Lebenskultur besitzen, um die Schön-
heit einer derartigen gerade in ihrer Einfach-
heit klassischen Raumschöpfung voll zu erleben.

Rein bürgerliche Bequemlichkeit fand man in
Architekt Hugo Gorges für die Firma R. Lorenz
entworfenem Wohnraum; es war der Typ, der
am meisten auf die Zeitverhältnisse Rücksicht
nahm, der etwas nüchtern, aber doch nicht un-
behaglichwar, die Zweckform bevorzugte, doch
auch die Zierform nicht ganz vernachlässigte,
wenn er sie auch, gleich dem Ornament, sozu-
sagen nur in homöopathischen Dosen verab-
reichte. Denn Gorge zeigt sich auch darin echter
Strnad-Schüler, daß ihm bei seinen Wohnungs-
einrichtungen Kunst als Ausnahme gilt. Moritz
Herrgesells Herrenzimmer erhob sich nicht
über gute Tischlerarbeit, dagegen führte der
von Architekt Philipp Häusler effektvoll ein-
gerichtete Sonderraum der „Wiener Werk-
stätte" abermals in das Reich Hoffmannscher
und Pechescher Form- und Materialphantasie.
Und man stand noch unter dem Eindruck dieser
vorbildlichen Leistungen des Wiener Genius,
als der nun zu besichtigende Raum des Prof.
Dr. Peter Behrens wieder zu einer völlig neuen
Einstellung zwang. Dieses von A. Mittag aus-

geführte, als „Arbeitszimmer eines Gelehrten"
bezeichnete Interieur fiel gänzlich aus dem
Rahmen der übrigen Ausstellungsobjekte her-
aus; es war nicht nur ganz unösterreichisch,
sondern auch nicht typisch deutsch, am ehesten
romantisch zu nennen. Und zwar romantisch
mit stark nordischem Einschlag, mit Erinne-
rungen an altskandinavische Vorbilder, auf
welche auch die Tierfratzen an den nur schein-
bar konstruktiv gedachten Möbeln und die
sonderbare Bronzefigur Professor Ludwig Gies
hinwiesen. Es war wohl kaum die Absicht Prof.
Behrens, in dieser unerhört wuchtigen Gelehr-
tenstuben-Einrichtung etwa das Muster eines
modernen, mit allen notwendigen Arbeitsbehel-
fen ausgestatteten „Studios" vor uns hinzu-
stellen. Dazu waren diese für einen Hünen
berechneten Möbel viel zu schwerfällig und
unbequem. Aber es sollte damit anscheinend
eine gewisse altertümelnde, faustische Stim-
mung erzeugt werden, und dieser Zweck wurde
in der Tat vollkommen erreicht. Darum gehörte
dieses wie aus einem Gusse geschaffene, von
einem einheitlichen Formwillen durchdrungene
Gelehrtenzimmer Prof. Behrens neben dem
Hoffmann-Raum zu den interessantesten und
 
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