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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Helander, Thomas: Neue Arbeiten von Kurt Edzard
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0214

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Neue Arbeiten von Kurt Edzard.

KURT EDZARD BERLIN.

PLASTIK SCHLAFENDE 19:'4.

Fülle. Edzard konzentriert hier die Bewegung
in die Mitte zwischen Kopf und Gebärde der
Hand: in die geräumige Klarheit der Brust, die
sich breit einfügt in die Schwere der Schulter
und aufgeht in der Entschlossenheit der Ge-
samthaltung. Diese männliche Figur zeigt, wie
unabsichtlich und ohne Problem, ohne „Idee",
Edzards Plastik da ist, die aus ihren Linien lebt,
sich zu Körpern bildet und darüber hinaus zum
Symbol wird für Wesen und Art.

Noch bestimmter prägt sich die in sich be-
ruhende Haltung einer kaum spürbaren Beweg-
ung in der Plastik „Stehendes Mädchen" aus,
die eine Erscheinung ist, eine Nuance, die
noch wie vor einer Existenz und doch schon
mitten in ihrem Dasein ist, das wirklich und
wichtig ist.

Das „Bildnis des Prinzen Hohenlohe" (Abb.
S. 199) zeigt Edzards ungewöhnlich gepflegten
Geschmack und eine persönliche Kultur, die
aus altem friesischen Blut stammt und in der
Gefahr ist, sich so zu verfeinern, daß sie müde
und alt wird. Dieses Porträt, eines der besten
in deutscher Plastik, verteilt Raum und Fläche,
jede Linie und die winzigste Überschneidung
so überaus sicher, so hörbar genau, daß es fast
wehe tut hinzusehn.

Edzard hat ungemein scharfe Augen und eine
ganz ursprüngliche Fähigkeit, zu sehen, die
natürlich froh und bereit ist, immer wieder, un-
bekümmert um die Herkunft seines Stils aus
alter Kultur, mit der neuen Erscheinung neu
zu beginnen. Er ist voller Zärtlichkeit und zwi-
schen ihm und den Dingen, die er bildet, ist
immer eine warme Welle von Sinnlichkeit, eine

Atmosphäre, die sich zu Duft und Atem seiner
Plastik verwandelt. Sein „Liebespaar", eine
Kleinplastik, ist eine Vermählung von Fleisch
und Blut, Konturen und ihrer Bewegung, Ver-
haltenheit und ihrer Beziehung.

Nicht zu übersehen sind die beiden Terra-
kotten, die wie Lehm scheinen, der noch auf
seine Beseelung wartet. Die eine hat ihre Ge-
stalt: amüsant in ihrer Plumpheit, aus der nur
der dicke Rücken herausschaut und der breite
froschige Blick; ein kleines Monstrum, aus Liebe
und Humor in die Welt gesetzt; ein Spiel, das
ganz ernst ist wie alle wirklichen Spiele. Die
andere ist schon dabei, einzugehn in ihre Form,
„menschlich" zu werden, Stil und Form eines
Willens zu sein, der nie aufhören kann. Edzards
Werkstatt ist voll von diesen Gebilden, die auf
engstem Raum mit wenigen Strichen ein Stück-
chen aufgestöbertes Leben festhalten als wich-
tigen Übergang.

Unsere Zeit wartet auf ein neues Zusammen-
fassen der Kräfte, aus denen Kultur und Ewig-
keit entsteht. Unsere wirklichen Künstler sind
still geworden. Wir lernten, daß Nietzsche recht
hat, uns vorzuhalten: „Die größten Ereignisse
— das sind nicht unsere lautesten, sondern un-
sere stillsten Stunden. Nicht um die Erfinder
von neuem Lärme, um die Erfinder von neuen
Werten dreht sich die Welt; unhörbar dreht
sich die Welt". Und nicht fortzudenken, und
seien wir noch so müde und arm geworden, ist
die Wahrheit, daß immer Liebe und die Kraft
einer Kunst da sein werden, die sich nach
langem Räume wieder zusammenfügen und auf-
tun zu Gestalten von Schönheit und Zukunft.
 
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