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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Hofmann, Ludwig von: Die Kunst und die wirtschaftliche Not
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0315

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DIE KUNST UND DIE WIRTSCHAFTLICHE NOT.

VON PROF. LUDWIG VON HOFMÄNN.

Die nachstehenden Ausführungen sind einer Ansprache entnommen, die Geheimrat
Professor Ludwig von Hofmann letzthin anläßlich des Semester-Abschlusses der
Dresdener Kunst-Akademie gehalten hat. Den Studierenden der Akademie konnten
diesmal keine realen Aufmunterungen in Gestalt von Geldpreisen geboten werden.
Von der Verteilung des großen Staatspreises, der seit Generationen unter dem
Namen „Rompreis" abwechselnd an Maler, Bildhauer und Architekten verliehen
wurde, mußte infolge der finanziellen Notlage des Staats abgesehen werden. In
einer schlichten Feier wurde den Preisträgern aber die verdiente Anerkennung
und der moralische Wert von Urkunden zuteil.

Das Thema von der Kunst und der wirtschaft-
lichen Not, vom Verhältnis der Kunst zum
Staat, die Frage, welche Bedeutung der Kunst
in unserem Leben zukommt und ob sie auch
heute noch einen Anspruch erheben darf, be-
achtet und unterstützt zu werden, sind nicht
leicht in Kürze zu beantworten.

Sie führen tief in ästhetische, philosophische,
kulturhistorische Probleme hinein, deren er-
schöpfende Behandlung mir nicht zustände,
auch wenn ich mehr Zeit hätte als bei einer
kurzen Aussprache.

Aber diese Dinge sind für uns zu brennen-
den Fragen geworden, die uns seit Jahren be-
schäftigen, bekümmern und je länger je mehr
beunruhigen.

Daher möchte ich doch nicht unterlassen,
mich wenigstens andeutungsweise darüber ver-
ständlich zu machen.

Ich beginne mit einem Zitat: „Die Kunst ist
eine Tochter der Freiheit, und von der Not-
wendigkeit der Geister, nicht von der Notdurft
der Materie will sie ihre Vorschrift empfangen.
Jetzt aber herrscht das Bedürfnis und beugt die
gesunkene Menschheit unter sein tyrannisches
Joch. Der Nutzen ist das große Idol der Zeit,
dem alle Kräfte fröhnen und alle Talente hul-
digen sollen".

Sie werden zugeben, daß diese Sätze, die
Schiller vor 130 Jahren in den Briefen „Über
die ästhetische Erziehung des Menschen"
drucken ließ, auf unsere heutigen Bedrängnisse
wörtlich anwendbar sind. Auch heute wieder
steht der praktische Zweck im Vordergrund

aller Interessen und aller Werturteile. Sein
Nachweis und kein anderer rechtfertigt jede
Tätigkeit. Zwar haben wir wohl nicht zu be-
fürchten, daß bei uns etwa auch der Bestand
höherer Lehranstalten von der Berechnung ihrer
Rentabilität abhängig gemacht wird. Denn die
Erkenntnis von der Bedeutung kultureller Ein-
richtungen und Leistungen, von ihrem höheren
Nutzen und ihrer Wichtigkeit für die Geltung
eines Staatswesens war den Regierenden zu
allen Zeiten vertraut und kann nur vorüber-
gehend unter dem Druck finanzieller Nöte ge-
trübt werden. Aber wir dürfen uns nicht ver-
hehlen, daß schwere Einbußen schon zu ver-
zeichnen sind. Das Gebäude der deutschen
Geisteskultur kracht in allen Fugen. Es gilt
mit allen Mitteln den weiteren Verfall zu ver-
hindern. Denn was jetzt absichtlich zerstört
oder vernachlässigt wird, kann später gar nicht
oder nur mit viel größerem Aufwand wieder
hergestellt werden, und wir verlieren mit der
Höhe unserer geistigen Leistungen das Letzte,
was nach Verlust der politischen und militä-
rischen Machtmittel übrig blieb, um unsere
Geltung in der Welt zu begründen.

Noch von einer anderen Seite scheint Gefahr
zu drohen, wenigstens für die Kunst. Vor kur-
zem brachten die Zeitungen eine Notiz, daß der
Verkünder vom Untergang des Abendlandes
neuerdings die Formulierung gefunden habe,
unsere Kulturentwicklung sei an einem Punkt
angelangt, wo nunmehr an die Stelle der Lyrik
die Technik, an die Stelle der Malerei die
Marine, und an die Stelle der Musik die Volks-

XXVII. Augnst 1924. 8
 
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