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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Pfister, Kurt: Die Bildhauerin Ruth Schaumann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0145

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135

RUTH SCHAU MANN —MÜNCHEN

»RELIEF FÜR KINDERGRAB«

DIE BILDHAUERIN RUTH SCHAUMANN

VON DR. KURT PFISTER

RUTH SCHAUMANN, die vor wenigen
Wochen durch den Literaturpreis der Stadt
München geehrt worden ist, gehört als Dich-
terin sowohl wie in ihrem bildkünstlerischen
Schaffen zu den ausgeprägten geistigen Reprä-
sentanten der deutschen Gegenwart und vor-
nehmlich, obschon ihre Geburtsstätte in der
nordwestdeutschen Tiefebene liegt, der süd-
deutschen Kulturwelt. Ihr dichterisches Werk,
das dramatische Spiele, Essays und Erzählun-
gen sowie eine Anzahl lyrischer Bücher um-
faßt, kreist um die Mysterien und Visionen des
christlichen Glaubens, nicht minder aber um
die Schicksale, Begegnungen und Gleichnisse
des täglichen Lebens. Der Klang ihrer Verse
bewegt durch eine sehr stille und innige Me-
lodie, sie sind ungemein differenziert in der sen-
siblen Tönung der Worte und Rhythmen, bunt
belebt von der Fülle farbiger Bilder und Ge-
sichte, und doch durchsichtig und schlicht, wie
Volkslieder sind.

Ruth Schaumann ist Konvertitin und ein ka-
tholisch bestimmtes Lebens- und Weltgefühl
durchdringt gleichmäßig ihre Dichtungen wie

ihre Bildwerke, auf die hier hingewiesen werden
soll. Die religiöse Grundstimmung ihres dichte-
rischen wie ihres plastischen Schaffens bindet
sich aber unlöslich mit einer gütigen und innigen
Menschlichkeit, und so kann es nicht erstaunen,
daß ihre Werke auch in Kreisen, die auf durch-
aus anderer weltanschaulicher Basis stehen,
stärkste Resonanz gefunden haben. Was Martin
Deutinger einmal vom Wesen der Poesie gesagt
hat, gilt auch von den Bildwerken dieser Frau:
sie sei das Hervorbrechen und Offenbarwerden
des unerschöpflichen, verborgenen Lebens der
Ewigkeit in den Formen und Bildern des sicht-
baren, gegenwärtigen Lebens.

Die 1899 in Hamburg geborene Künstlerin
entstammt einer alten fränkischen Familie. Ihr
Großvater, der zur napoleonischen Zeit als
Offizier der deutsch-englischen Legion tätigen
Anteil an den Kriegsereignissen nahm, hat sich
als Maler und Schriftsteller — seine „Kreuz-
und Querzüge", die die Erinnerungen an seine
Kriegserlebnisse aufzeichnen, sind 1922 von
Fedor v. Zobeltitz bei Brockhaus herausgegeben
worden — einen geachteten Namen geschaffen.

XXXV. Juni 1932. 4.
 
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