URTHEILE DER MITWELT.
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doch unbeftreitbar ein fo eminenter MeiEer. So mufste er aus Eigenwillen und
knirlchendem Ehrgeiz ein Abtrünniger, lo mufste er Lucifer gegen die treuen Erz-
engel der Kunft fein!
Ihr täufcht euch, ruft Pels, die ihr die gebahnten Wege verladen, als Ver-
zweifelte eine gefährlichere Bahn einlchlagen und, zufrieden mit vergänglichem
Lob, es machen wollt, wie der grofse Rembrandt, der, da er läh, dals er Tizian,
van Dyck und Michelangelo nicht erreichen konnte, es vorzog, hch von ihnen in
der auffalligEen Weile loszulagen und der gröfste Ketzer in feiner Kunft zu
werden und mehr als einen Neuling zu beftricken, er, der im Enfemble und in
der Kraft des Colorits Niemandem wich.
So lautete das Urtheil tonangebender Kritiker über den Mann, der es wagte,
neben Tizian, Rafael, van Dyck und Michelangelo der Kund neue Gebiete zu er-
öffnen und zu malen, was noch Niemand gemalt hatte.
Es hätte nur gefehlt, dafs man den änderbaren Schwärmer und KunEver-
derber, wie den grolsen Athener, hätte zum Giftbecher verurtheilen können! Wie
die Athener verwundert den Sokrates, der ihnen von leinen Anhängern als der
grölste Weile gezeigt wurde, in den kleinen Handwerksbuden herumdiscutiren
Iahen, fo Iahen die Amfterdammer Anhänger der »antikenK Malerei höhnend ihr
Original durch die Stadt, auf den Brücken und in den Stralsenwinkeln und zwi-
lchen den Trödlerhaufen des Neuen und des Norder-Marktes herumftöbern nach
Waffen, Trachten und altmodifchem Tand, um damit leine Eiguren auszuEafhren.
Schon dafür, dals er die holländische Landfchaft in die Kunft einführte, hätte
er nach dem Urtheil der gegnerilchen Radicalen den Zorn Apollons verdient. Uns
wundert, dals nicht irgend ein Poet Hercules Seghers und Rembrandt van Rijn
als neue Marsyaffe hingeftellt hat, welche die Rache der Gottheit traf, weil fie,
den Parnals verlchmähend, das Gewöhnliche und das Gemeine bildeten, lo dals
jener, dem Verhungern nahe gekommen, hch dem Trunk ergab, von der Treppe
hei und den Hals brach und Rembrandt, immer tiefer finkend, wie jene bewulste
Vorladung der Kirchenobrigkeit bewies, einen lo oblcuren Lebensausgang nahm.
Doch wenigftens ein Dichter hat, wie wir durch Vosmaer erfahren, auch Rem-
brandPs Grölse ähnlich verkündet, wie es nach Shakefpeare's Tode gefchah. Jere-
mias de Decker preift zum Dank für fein von Rembrandt umlonft gemaltes Por-
trait RembrandPs ^gebildeten Geift und geniale Kunft, zum Trotz dem Neide, diefer
infamen Beftie.« Durch Reime RembrandPs Ruhm mehren wollen, hielse Waffer
iEs Meer und Sand an den Strand tragen. RembrandPs Pinfel brauche Nieman-
des Lob und habe den Ruhm des Meifters verbreitet, fo weit die Schiffe des
freien Hollands auf den Wogen Schwämmen. Sein Ruhm beftehe neben dem
Rafaeks und AngeloN.
Nicht übel hat ihn unter Sandrart gefchätzt. Er nennt Rembrandt, den er
perfonlich kannte, den ^Malerx gegenüber den BpärberrtK, und rühmt feine Simpli-
cität der Natur bei den natürlichen Effecten durch das Colorit, und leinen überall
fich kennzeichnenden grolsen Geift.
Doch gilt es hier nicht das Urtheil der Zeiten über Rembrandt anzuführen.
Rembrandt war der Antipode Michelangelo^ und Rafael's. Er Rand ihnen
fo entgegen, wie etwa Boz Dickens dem Dante und Ariofto.
Michelangelo Bellte feine Ideen und die Urkräfte der Natur im Erhabenen
und Gewaltfamen menfchlicher Körper dar. Rafael malte das Göttliche als echter
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doch unbeftreitbar ein fo eminenter MeiEer. So mufste er aus Eigenwillen und
knirlchendem Ehrgeiz ein Abtrünniger, lo mufste er Lucifer gegen die treuen Erz-
engel der Kunft fein!
Ihr täufcht euch, ruft Pels, die ihr die gebahnten Wege verladen, als Ver-
zweifelte eine gefährlichere Bahn einlchlagen und, zufrieden mit vergänglichem
Lob, es machen wollt, wie der grofse Rembrandt, der, da er läh, dals er Tizian,
van Dyck und Michelangelo nicht erreichen konnte, es vorzog, hch von ihnen in
der auffalligEen Weile loszulagen und der gröfste Ketzer in feiner Kunft zu
werden und mehr als einen Neuling zu beftricken, er, der im Enfemble und in
der Kraft des Colorits Niemandem wich.
So lautete das Urtheil tonangebender Kritiker über den Mann, der es wagte,
neben Tizian, Rafael, van Dyck und Michelangelo der Kund neue Gebiete zu er-
öffnen und zu malen, was noch Niemand gemalt hatte.
Es hätte nur gefehlt, dafs man den änderbaren Schwärmer und KunEver-
derber, wie den grolsen Athener, hätte zum Giftbecher verurtheilen können! Wie
die Athener verwundert den Sokrates, der ihnen von leinen Anhängern als der
grölste Weile gezeigt wurde, in den kleinen Handwerksbuden herumdiscutiren
Iahen, fo Iahen die Amfterdammer Anhänger der »antikenK Malerei höhnend ihr
Original durch die Stadt, auf den Brücken und in den Stralsenwinkeln und zwi-
lchen den Trödlerhaufen des Neuen und des Norder-Marktes herumftöbern nach
Waffen, Trachten und altmodifchem Tand, um damit leine Eiguren auszuEafhren.
Schon dafür, dals er die holländische Landfchaft in die Kunft einführte, hätte
er nach dem Urtheil der gegnerilchen Radicalen den Zorn Apollons verdient. Uns
wundert, dals nicht irgend ein Poet Hercules Seghers und Rembrandt van Rijn
als neue Marsyaffe hingeftellt hat, welche die Rache der Gottheit traf, weil fie,
den Parnals verlchmähend, das Gewöhnliche und das Gemeine bildeten, lo dals
jener, dem Verhungern nahe gekommen, hch dem Trunk ergab, von der Treppe
hei und den Hals brach und Rembrandt, immer tiefer finkend, wie jene bewulste
Vorladung der Kirchenobrigkeit bewies, einen lo oblcuren Lebensausgang nahm.
Doch wenigftens ein Dichter hat, wie wir durch Vosmaer erfahren, auch Rem-
brandPs Grölse ähnlich verkündet, wie es nach Shakefpeare's Tode gefchah. Jere-
mias de Decker preift zum Dank für fein von Rembrandt umlonft gemaltes Por-
trait RembrandPs ^gebildeten Geift und geniale Kunft, zum Trotz dem Neide, diefer
infamen Beftie.« Durch Reime RembrandPs Ruhm mehren wollen, hielse Waffer
iEs Meer und Sand an den Strand tragen. RembrandPs Pinfel brauche Nieman-
des Lob und habe den Ruhm des Meifters verbreitet, fo weit die Schiffe des
freien Hollands auf den Wogen Schwämmen. Sein Ruhm beftehe neben dem
Rafaeks und AngeloN.
Nicht übel hat ihn unter Sandrart gefchätzt. Er nennt Rembrandt, den er
perfonlich kannte, den ^Malerx gegenüber den BpärberrtK, und rühmt feine Simpli-
cität der Natur bei den natürlichen Effecten durch das Colorit, und leinen überall
fich kennzeichnenden grolsen Geift.
Doch gilt es hier nicht das Urtheil der Zeiten über Rembrandt anzuführen.
Rembrandt war der Antipode Michelangelo^ und Rafael's. Er Rand ihnen
fo entgegen, wie etwa Boz Dickens dem Dante und Ariofto.
Michelangelo Bellte feine Ideen und die Urkräfte der Natur im Erhabenen
und Gewaltfamen menfchlicher Körper dar. Rafael malte das Göttliche als echter