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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,2): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Berlin, 1878

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Lemcke, Carl von: Kaper Netscher: geb. in Heidelberg 1639, † im Haag 1684
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https://doi.org/10.11588/diglit.34542#0112

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KASPAR NETSCHER.

aber Rimmt er in der weiteren Erzählung mit der Houbrakcns überein. Diefer
giebt an, Kaspar fei 1639 zu Heidelberg geboren. Seine Mutter, die Tochter
des Heidelberger BürgermeiRers Vetter, hatte gegen den Willen ihres Vaters und
Grofsvaters den aus Stuttgart gebürtigen Bildhauer Johannes Nctfcher geheirathet.
Nach einigen Jahren wurde he mit vier Kindern Wittwe. Sie verliefs das kriegs-
bedrängte Heidelberg, begab hch in ein Landkahell und machte in diefem eine
Belagerung durch, in der die Vertheidiger ausgehungert wurden, da he hch nicht
auf Gnade und Ungnade ergeben wollten. Zwei Söhne der Elifabeth Netfcher
harben vor Mangel; ein Töchterchen an der Hand und den kleinen Kaspar auf
dem Arm, gelang es der unglücklichen Mutter in einer Nacht durch die Reihen
der Belagerer zu hüchten. Sie wandte hch nach den Niederlanden und kam nach
Arnheim, wo hch der menfchenfreundliche reiche Dr. Tullekens des fchönen und
geihig viel verfprechenden Knaben annahm. Er liefs ihn ein Gymnahum be-
fuchen, damit er Medicin hudiren könne. Aber in Kaspar erwachte die Maler-
luft. Den erften Unterricht erhielt er von dem Stillleben-Maler Kofter. Danach
jedoch kam er durch Verwendung eines Verwandten von Tcrborch zu diefem be-
rühmten Meifter der Converfationen und des kleinen Portraits in die Lehre, "wo
er alles nach dem Leben malen lernte und in kurzer Zeit es weit in feiner
Kunft brachte," unddemerbefondersdieVirtuohtät, Atlasklcider zu malen, abfah.
Später gab der Schüler dem Meifter, wie wir fchon hörten, Anlafs zu Eiferfucht;
dafs Terborch den Netfcher einen Undankbaren und Wilhelm 111. einen Narren
und Tyrannen genannt und hch durch ein allcgorifches Gemälde gerächt habe,
gehört zu der dahinfchlagendcn Erzählung. Von Overyffcl wandte hch Netfcher
nach Holland. Nachdem er einige Zeit mit grofser Kunft doch für wenig Lohn
für odieKehlabfchneider, — Kunfthändler will ich tagen«, wie Houbraken, um einen
Witz zu machen, ruft, gearbeitet hatte, befchlofs er nach Rom zu gehen. Er
nahm bis Bordeaux den Seeweg, verliebte hch aber in diefer Stadt in die Tochter
des damals dort weilenden Lütticher Mathematikers und Mechanikers Godyn,
heirathete he (1639) und liefs hch in Bordeaux nieder. In der Heimath war
man unterdefs auf feine trefflichen Bilder aufmerkfam geworden. Als die Prote-
Ranten-Verfolgungen ihm Frankreich verleideten, kehrte er nach Holland zurück
und wählte zum Wohnhtz den Haag. Er malte feine gefchätzten Genrebilder,
fand aber bald, dafs die Portraitmalerei noch einträglicher fei, und erwarb nun
durch he in der fchönen Rehdenz Hollands, der damaligen hohen Schule der
Diplomatie, Ruf und Vermögen, indem er im kleinen Portrait der Fürhen- und
Gefandten-Modemaler wurde. Die ehrendhen Anträge, den Haag zu verlaffen,
fchlug er aus. Er fcheute die See und die Höfe, heifst es hinhchtlich Karls II
von England Einladung. Leider war er von den Jünglingsjahren ab kränklich,
früh durch Steinfehmerzen, bald auch durch Gicht geplagt. Unermüdlich thätig,
foll er oft felbft bettlägerig gemalt haben.
So wirkte er, berühmt als Portraitmaler und im feinen Genrebild, im letzteren
als der trefhichhe Epigone der Terborch, Metfu und van Mieris. Das befagt,
dafs er he in einzelnen Werken erreicht und in virtuofer Technik einen fehr hohen
Rang einnimmt. Im Glanz der Atlaskleider wetteiferte er mit Terborch, in feiner
Pinfelführung der Art mit F. van Mieris, dafs bei einem oder dem andern Bilde
 
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