ADRIAEN VAN OSTADE.
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felblt auferlegt! Da fucht der Einzelne, das Gefchlecht, der Stand, das Volk
die Erhöhung in der Unterdrückung Anderer, im Eigennutz das Glück, das der
Eigennutz der Anderen deshalb immer bedroht und zerltört.
Ueber den Provinzialen der unterjochten Länder erhob hch die kriegerifche,
abgefchloffene Kalte der germanifchen Sieger der Völkerwanderung. Die deutfche
Heimat traf danach der Rückfchlag der Thaten ihrer in die Fremde gezogenen
Söhne. Die alte Volksfreiheit ging unter dem Einflufs der Iränkifchen Herrfchaft
in Deutfchland zu Grunde. Auch hier entwickelte hch das dem Kern des Volkes,
den freien, kleinen Landfaffen fchädliche Feudalwefen. Die Bildung und Gehttung
des Bürgerltandes, der in der alten germanifchen Volksordnung keine Stelle hatte,
wandte hch gleichfalls von der durch das Landvolk vertretenen Cultur ab. Der
Bauernltand wurde in Unfreiheit gedrückt, und Bauer wurde nun der Inbegriff des
Niederen, Befchränkten, Rohen, des aus Dummheit und Verltocktheit in der
Cultur Zurückgebliebenen, der deshalb mit vollem Recht Verlachung und Ver-
höhnung verdiene. Je fchärfer die höheren Stände hch von dem niederen
fonderten, delto mehr mufste letzterer wirklich hnken. Die Knechtfchaft nimmt die
halbe Mannheit. Selblt die guten Eigenfchaften müffen hch in dauerndem Druck
und Elend in ihre Gegenfätze verkehren.
Wohl hat hch das germanifche Landvolk überall gegen die fociale Knech-
tung gewehrt. Aber nur wo die Natur des Landes half, konnte es hch in
feinen alten Sitten und Rechten und auf feiner moralifchen Höhe erhalten. Wo
die geharnifchte Reiterei des Feudalherrn keinen Kampfraum fand, da blieb der
Bauer frei. Die Friefen und Schweizer waren weder tapferer, noch freiheits-
liebender als die Bauern der anderen deutfehen Stämme, aber ihre Marfchen und
Alpen halfen kämpfen. Wo es gelang, altes Wefen und neuen Fortfehritt zu
vereinen, wo die Bauern und Städte zufammen gegen Ftirhen und Lehnsherr-
fchaft in Bund traten, da bildeten hch Staaten neuer Freiheit und Gröfse. Ewig
bleibt der Ruhm der Freiheitskämpfe der deutfehen Schweizer. In den Nieder-
landen wiederholte hch in der Befreiungszeit Aehnliches.
In der Reformationszeit war überall neues fociales Streben. Auch durch
den deutfehen Bauernltand zog der Geilt der Freiheit. Deutfchland drängte zu
einer focialen Revolution, wie he erlt 1789 in Frankreich gelang. Aber die
Wendung, welche der ausbrechende Ständekampf in den Bauernkriegen nahm,
verdarb alles und hatte nach der Niederlage der Aufltändifchen und Schwärmer
die grimmlte Reaction zur Folge. In den damaligen wichtiglten deutfehen
Provinzen ging den Bauern auch das noch verloren, was früher behauptet worden
war. Und mehr! Man fchnitt der Pflanze das Herz aus. Der alte Bauerntrotz
ward gebrochen durch Fürlten-, Pfaffen- und bureaukratifche Macht, welche
letztere nun begann. Damals legte Deutfchland feine eigene Volkskraft lahm
— anders hätte es hch nach dem, was in feinem Volke um 1300 gährte,
bei glücklicher Einigung feiner Kräfte, wie ein Riefe erheben müffen unter den
Völkern.
Einigung und Gröfse fand nur fein nordweltlicher Theil, der hch mehr und
mehr von ihm losgelölt hatte.
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felblt auferlegt! Da fucht der Einzelne, das Gefchlecht, der Stand, das Volk
die Erhöhung in der Unterdrückung Anderer, im Eigennutz das Glück, das der
Eigennutz der Anderen deshalb immer bedroht und zerltört.
Ueber den Provinzialen der unterjochten Länder erhob hch die kriegerifche,
abgefchloffene Kalte der germanifchen Sieger der Völkerwanderung. Die deutfche
Heimat traf danach der Rückfchlag der Thaten ihrer in die Fremde gezogenen
Söhne. Die alte Volksfreiheit ging unter dem Einflufs der Iränkifchen Herrfchaft
in Deutfchland zu Grunde. Auch hier entwickelte hch das dem Kern des Volkes,
den freien, kleinen Landfaffen fchädliche Feudalwefen. Die Bildung und Gehttung
des Bürgerltandes, der in der alten germanifchen Volksordnung keine Stelle hatte,
wandte hch gleichfalls von der durch das Landvolk vertretenen Cultur ab. Der
Bauernltand wurde in Unfreiheit gedrückt, und Bauer wurde nun der Inbegriff des
Niederen, Befchränkten, Rohen, des aus Dummheit und Verltocktheit in der
Cultur Zurückgebliebenen, der deshalb mit vollem Recht Verlachung und Ver-
höhnung verdiene. Je fchärfer die höheren Stände hch von dem niederen
fonderten, delto mehr mufste letzterer wirklich hnken. Die Knechtfchaft nimmt die
halbe Mannheit. Selblt die guten Eigenfchaften müffen hch in dauerndem Druck
und Elend in ihre Gegenfätze verkehren.
Wohl hat hch das germanifche Landvolk überall gegen die fociale Knech-
tung gewehrt. Aber nur wo die Natur des Landes half, konnte es hch in
feinen alten Sitten und Rechten und auf feiner moralifchen Höhe erhalten. Wo
die geharnifchte Reiterei des Feudalherrn keinen Kampfraum fand, da blieb der
Bauer frei. Die Friefen und Schweizer waren weder tapferer, noch freiheits-
liebender als die Bauern der anderen deutfehen Stämme, aber ihre Marfchen und
Alpen halfen kämpfen. Wo es gelang, altes Wefen und neuen Fortfehritt zu
vereinen, wo die Bauern und Städte zufammen gegen Ftirhen und Lehnsherr-
fchaft in Bund traten, da bildeten hch Staaten neuer Freiheit und Gröfse. Ewig
bleibt der Ruhm der Freiheitskämpfe der deutfehen Schweizer. In den Nieder-
landen wiederholte hch in der Befreiungszeit Aehnliches.
In der Reformationszeit war überall neues fociales Streben. Auch durch
den deutfehen Bauernltand zog der Geilt der Freiheit. Deutfchland drängte zu
einer focialen Revolution, wie he erlt 1789 in Frankreich gelang. Aber die
Wendung, welche der ausbrechende Ständekampf in den Bauernkriegen nahm,
verdarb alles und hatte nach der Niederlage der Aufltändifchen und Schwärmer
die grimmlte Reaction zur Folge. In den damaligen wichtiglten deutfehen
Provinzen ging den Bauern auch das noch verloren, was früher behauptet worden
war. Und mehr! Man fchnitt der Pflanze das Herz aus. Der alte Bauerntrotz
ward gebrochen durch Fürlten-, Pfaffen- und bureaukratifche Macht, welche
letztere nun begann. Damals legte Deutfchland feine eigene Volkskraft lahm
— anders hätte es hch nach dem, was in feinem Volke um 1300 gährte,
bei glücklicher Einigung feiner Kräfte, wie ein Riefe erheben müffen unter den
Völkern.
Einigung und Gröfse fand nur fein nordweltlicher Theil, der hch mehr und
mehr von ihm losgelölt hatte.