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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,2): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Berlin, 1878

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Bergau, Rudolf: Peter Vischer und seine Söhne: der Vater: geb. zu Nürnberg um 1455, gest. daselbst 1529
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https://doi.org/10.11588/diglit.34542#0405

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DAS SEBALDUSGRAB,

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hang derlelben Rücklicht zu nehmen. Jene Zeiten; in weichem jedes kleinHe
Giied am KunRwerke eine beHimmte Beziehung zum Ganzen und zu dem Zwecke;
weichem es dienen follte, hatte war längR vorüber. Dafür nahmen jetzt; wie
das Ichon Sandrart richtig bemerkt hat; das Spiel der Willkür und der Phantahe
und die Regellohgkeit; welche fo oft zu Milsbildungen geführt hat; Ichon
überhand.
Der ganze Barg wie er noch heute unverfehrt dafleht; ift in feiner Gelammt-
compolition gothilch und nach dem Entwürfe vom Jahre 1488 gefertigt; in den
architektonifchen Hauptformen jedoch welentlich reducirt und dafür mit einer
grolsen Menge figürlich decorativer Zufätze aus dem Formenkreile der damals
loeben in der Entwickelung begriffenen deutlichen Renaiffance verfehen.
Durch dieles Abgehen von dem urlprünglichen; einheitlich durchgeführten
Plane und das Hereinziehen völlig neuer Ideen und Motive erklären lieh man-
cherlei Unvollkommenheiten in der Compoiition des Ganzen; die mangelnde Ueber-
einRimmung des Unterbaues mit den Baldachinen — die Hauptpfeiler flehen vor
den Reliefs und verdecken lie zum Theil — das fchlechte Verhältnis der lehr
Harken; auf einen hohem Aufbau berechneten Pfeiler und des grolsartig ange-
legten Unterbaues überhaupt zu den kleinlichen Baldachinen; der mangelnde Ab-
fchluls der Hauptpfeileig die unorganilche Verbindung der Bogen mit den Pfeilern;
die zwilchen die Pfeiler gehellten kandelaberartigen Bildungen mit den auf ihnen
ruhenden; zwecklolen und in ganz unmotivirter Weife in den Scheiteln der Spitz-
bögen verlaufenden fchlanken Säulen; welche die Klarheit der Gliederung welent-
lich beeinträchtigen; und vieles Andere. Der Unterbau hat flatt der anfänglich
projectirten acht Reliefs deren nur vier und zwei in Nilchen flehende Statuetten
erhalten. Die Reliefs lind in auffallend ungünfliger Weile lo angebracht; dafs lie
von den Harken Hauptpfeilern zum Theil verdeckt werden. Die Ecken des Unter-
baues; welche man lonH doch belonders feH zu bilden pflegt; lind durch leere
Nilchen gelchwächt. Kurz; es fehlt dem Prachtgrabe; wie es von Peter Vilcher
und leinen Söhnen ausgeführt worden iH; ganz im Gegenlatze zum urlprünglichen
Entwürfe; Einheit der CompoHtion; organifcher Zulammenhang der einzelnen
Theile und UebereinHimmung des Charakters der Detailformen.
Für diele Mängel werden wir dagegen durch einen grolsen Reichthum an
Ideen; eine Fülle reizender Motive; belonders in den Ornamenten; den Kinder-
geHalten und den Statuetten auf der Plinthe; welche . linnreich erdacht und mit
vieler Liebe ausgeführt lind; reichlich entfchädigt. UnHreitig das SchönHe am
ganzen Grabmal und dasjenige; was ihm leinen Weltruhm verfchafR; lind aber
jene Ichon erwähnten; berühmten 0,$$ M. hohen Statuetten der zwölf ApoHel
voll Leben und Ausdruck; voll Charakter; Grolsheit und idealer Würde. Sie
weichen von Allem; was bis dahin in Deutfchland gefertigt worden wai*; welent-
lich ab und weilen mit Entlchiedenheit auf Italien 6) hiip wenngleich auch mannig-
fache Reminilcenzen an deutlchgothilche Sculpturen nicht zu verkennen lind.
Die zwölf kleineren Statuetten auf den Pfeilern Rehen den ApoRehi; was künR-
lerilche Conception betrifft; wohl kaum nach; lind aber mit Rücklicht auf ihren
hohen Standpunkt ziemlich roh ausgeführt.
Die technilche Ausführung des Grabmals befriedigt nicht ganz. Der Gufs iH
oft mangelhaft. Die Architekturtheile; offenbar nach Modellen aus Holz gegoffeii;
lind cilelirt. Die figürlichen Theile dagegen; nach ausgelchmolzenen Wachs-

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