DANIEL CHODOWIECKI.
16
Vielleicht wäre diefer Einhufs der Renaiffance auch in Deutfchland nur ein
Uebergang, eine Art Reinigungsprozefs der KunE von den ihr noch anhaftenden
mittelalterlichen Schlacken gewefen, der dann wie in Holland zu neuer frifcher
Entwickelung geführt hätte, wenn nicht die trofllofe Zeit des dreifsigjährigen
Krieges jeden künftlerifchen Auffchwung unmöglich gemacht hätte. Wohl war
der tiefe Eindruck des unmittelbar Erlebten im Stande in der Literatur ein Werk
wie denSimpliciffimus hervorzubringen; mühfamer und vorausfetzungsvoller aber
als der Weg vom Kopf zur Feder iE der vom Erlebten und Erfchauten zur
bildlichen DarEellung. Hier genügt nicht das Talent an hch, jahrelange unab-
läffige Uebung mufs dasfelbe entwickelt haben, um die Hand gefchickt zur
Hervorbringung eines Kunftwerkes zu machen. Dazu aber gehört Ruhe und
Mufse, wie he das in den fteten Nöthen diefes greuelvollen Krieges aufgewachfene
Gefchlecht nicht kannte. Das iE im Grunde das Geheimnifs, warum eine fo fehr
unfer Volk in feinen innerEen Tiefen erfchütternde Zeit keinen einzigen Schilderer
gefunden. Als aber mit dem zur Neige gehenden Jahrhundert endlich auch die
Kunft von Neuem hch regte, da war die volksthümliche Malerei felbft in den Nieder-
landen wieder im Abfterben (hehe das Leben v. d. Werff's) und dafür das grelle,
ganz Europa überftrahlende und blendende Licht jener theatralifch aulgebaufchten
aber auch theatralifch glänzenden franzöhfchen Kunft aufgegangen, wie he, mit
Poufhn und Lebrun beginnend, durch Lafoffe, Lemoyne, Coypel, Jouvenet u. f. f.
weitergeführt wird. Den chriftlichen Glorien der italienifchen Kirchenmalerei
fetzt he mit Vorliebe in den von ihr beliebten Allegorien die antike Götterwelt
zur Seite, die hch nun an den Decken aller fürftlichen Prachtfäle breit macht.
Gern fah hch die feit Ludwig XIV. allerwärts den Ton angebende Holgefellfchaft
den Bewohnern des griechifchen Olymps zur Seite geftellt. Dankbare Dichter
und Maler begrüfsten den wgrofsen Könige als Apoll oder Mars, fpäter als
Jupiter, ihre Gönnerinnen als Juno oder Minerva, während die leichtlebigere
Gefellfchaft der erften Hälfte des 18. Jahrhunderts die Verwandtfchaft mit den
Nymphen und Grazien, oder den Schäferinnen des antiken Romans vorzog.
In diefer Zeit, wo hch mehr und mehr alle künftlerifchen Intereffen in den
Dienft des Hofes begeben, tritt das Sittenbild ganz zurück. Selbft ein Mann
wie der heut hochgefeierte Chardin konnte es bei Lebzeiten nie zu gröfserer
Anerkennung bringen. Deutfchland aber folgte willig dem franzöhfchen Einhufs.
In dem einzigen deutfchen Staate fogar, in welchem hch eine nationale politifche
Entwickelung anbahnte, in Preufsen, konnte der fo fehr allem franzöhfchen
Wefen abholde Friedrich Wilhelm I. hch in der Kunft der allgemeinen Strömung
nicht verfchliefsen; der Franzofe Antoine Pesne ift unter ihm tonangebender
Hofmaler, während diefe Stelle bisher Niederländer oder Deutfche innegehabt
hatten. Dafs Pesne's Anfehen unter Friedrich Wilhelm's Nachfolger nur noch
ftieg, dafs unter diefem ein anderer Franzofe, Lefueur, noch iy$i das Directorat
der Academie erhielt, iE bei der GeiEesrichtung Friedrich's des Grofsen nur
natürlich. — Näheres über das damalige KunEleben an den deutfchen Höfen
Endet hch in der Biographie von Mengs.
Während fo die Monumental- und Tafelmalerei des XVIII. Jahrhunderts faE
ausfchliefslich dem DienEe der weltlichen und geiElichen Höfe gewidmet iE, begann
16
Vielleicht wäre diefer Einhufs der Renaiffance auch in Deutfchland nur ein
Uebergang, eine Art Reinigungsprozefs der KunE von den ihr noch anhaftenden
mittelalterlichen Schlacken gewefen, der dann wie in Holland zu neuer frifcher
Entwickelung geführt hätte, wenn nicht die trofllofe Zeit des dreifsigjährigen
Krieges jeden künftlerifchen Auffchwung unmöglich gemacht hätte. Wohl war
der tiefe Eindruck des unmittelbar Erlebten im Stande in der Literatur ein Werk
wie denSimpliciffimus hervorzubringen; mühfamer und vorausfetzungsvoller aber
als der Weg vom Kopf zur Feder iE der vom Erlebten und Erfchauten zur
bildlichen DarEellung. Hier genügt nicht das Talent an hch, jahrelange unab-
läffige Uebung mufs dasfelbe entwickelt haben, um die Hand gefchickt zur
Hervorbringung eines Kunftwerkes zu machen. Dazu aber gehört Ruhe und
Mufse, wie he das in den fteten Nöthen diefes greuelvollen Krieges aufgewachfene
Gefchlecht nicht kannte. Das iE im Grunde das Geheimnifs, warum eine fo fehr
unfer Volk in feinen innerEen Tiefen erfchütternde Zeit keinen einzigen Schilderer
gefunden. Als aber mit dem zur Neige gehenden Jahrhundert endlich auch die
Kunft von Neuem hch regte, da war die volksthümliche Malerei felbft in den Nieder-
landen wieder im Abfterben (hehe das Leben v. d. Werff's) und dafür das grelle,
ganz Europa überftrahlende und blendende Licht jener theatralifch aulgebaufchten
aber auch theatralifch glänzenden franzöhfchen Kunft aufgegangen, wie he, mit
Poufhn und Lebrun beginnend, durch Lafoffe, Lemoyne, Coypel, Jouvenet u. f. f.
weitergeführt wird. Den chriftlichen Glorien der italienifchen Kirchenmalerei
fetzt he mit Vorliebe in den von ihr beliebten Allegorien die antike Götterwelt
zur Seite, die hch nun an den Decken aller fürftlichen Prachtfäle breit macht.
Gern fah hch die feit Ludwig XIV. allerwärts den Ton angebende Holgefellfchaft
den Bewohnern des griechifchen Olymps zur Seite geftellt. Dankbare Dichter
und Maler begrüfsten den wgrofsen Könige als Apoll oder Mars, fpäter als
Jupiter, ihre Gönnerinnen als Juno oder Minerva, während die leichtlebigere
Gefellfchaft der erften Hälfte des 18. Jahrhunderts die Verwandtfchaft mit den
Nymphen und Grazien, oder den Schäferinnen des antiken Romans vorzog.
In diefer Zeit, wo hch mehr und mehr alle künftlerifchen Intereffen in den
Dienft des Hofes begeben, tritt das Sittenbild ganz zurück. Selbft ein Mann
wie der heut hochgefeierte Chardin konnte es bei Lebzeiten nie zu gröfserer
Anerkennung bringen. Deutfchland aber folgte willig dem franzöhfchen Einhufs.
In dem einzigen deutfchen Staate fogar, in welchem hch eine nationale politifche
Entwickelung anbahnte, in Preufsen, konnte der fo fehr allem franzöhfchen
Wefen abholde Friedrich Wilhelm I. hch in der Kunft der allgemeinen Strömung
nicht verfchliefsen; der Franzofe Antoine Pesne ift unter ihm tonangebender
Hofmaler, während diefe Stelle bisher Niederländer oder Deutfche innegehabt
hatten. Dafs Pesne's Anfehen unter Friedrich Wilhelm's Nachfolger nur noch
ftieg, dafs unter diefem ein anderer Franzofe, Lefueur, noch iy$i das Directorat
der Academie erhielt, iE bei der GeiEesrichtung Friedrich's des Grofsen nur
natürlich. — Näheres über das damalige KunEleben an den deutfchen Höfen
Endet hch in der Biographie von Mengs.
Während fo die Monumental- und Tafelmalerei des XVIII. Jahrhunderts faE
ausfchliefslich dem DienEe der weltlichen und geiElichen Höfe gewidmet iE, begann