Jacques Androuet Ducerceau,
Geb. vor 1515; Gest, nach 1584.
In Jacques Androuet Ducerceau brachte die franzöfifche Renaiffance einen
Künftler ganz befonderer Art hervor. Von Hause aus Architekt, ja fogar ein
bedeutender Architekt, offenbarte er feine Künftlerfchaft wefentlich nur in den
zahlreichen in Kupfer geftochenen Entwürfen, welche auf uns gekommen find;
und obgleich er nicht an die Gröfse eines Pierre Lescot und Philibert de L'Orme
heranreicht, übertrifft er diefe doch an nachhaltiger Wirkfamkeit bei weitem.
Als Ornamentift von unerfchöpflicher, anmuthvollfter Geftaltungskraft hat er
Muftergültiges hinterlaffen. Endlich zieht er das Intereffe durch die Wand-
lungen auf fich, die er im Laufe feiner Entwicklung durchmachte, und die ein
getreues Spiegelbild des Verlaufes geben, welchen die franzöfifche Renaiffance
überhaupt nahm.
Wollen wir uns über fein Leben und feinen Bildungsgang unterrichten, fo
könnte der Mangel an zuverläfsigen Nachrichten biliig wunder nehmen, begegneten
wir diefer Erfcheinung nicht faft regelmäfsig, wo es fleh um Künftler feiner Zeit
und feines Landes handelt. Das Gefühl der Perfönlichkeit war bei denfelben
noch nicht hinreichend entwickelt, die mittelalterlichen Traditionen noch zu mächtig,
nach welchen der Künftler hinter feinem Werke zurücktrat. So verlor das, was
man die künitlerifche That nennt, viel von feinem Nimbus. Und ftand ehemals,
in den Zeiten der Gothik, das Handwerkerthum einem Hervortreten der Perfon
des Künftlers im Wege, fo that es nunmehr ein neues, nicht minder gewichtiges
Moment. Wie die neue Kunft eine importirte war, fo war fie zunächft eine
Dienerin des Luxus; der Künftler ftand recht eigentlich im Dienfte der Grofsen.
Vorab gilt dies vom Architekten. Derfelbe führte die Intentionen des Bauherrn
aus; er lieh diefem fein Wiffen und feine Kunft; dafs er fein Beites dabei that,
fcheint als felbftverftändlich nicht weiterer Erwähnung werth. Durchblättert man
Ducerceau's bekanntes Kupierwerk „Des plus excellents bastiments de France"
mit den Aufnahmen, der Befchreibung und Baugefchichte der hervorragendften
franzöfifchen Schlöffer, fo wird man wohl ffets den Bauherrn, doch mit Ausnahme
von Lescot und de l'Orme, niemals den Baumeifter, d. h. den erfindenden Künftler,
genannt finden. Und auch jene beiden Ausnahmen betätigen nur die Regel.
Sehr charakteriftifch heifst es in der Befchreibung des Louvre: „Le tout com-
mence ... du vivant du feu Roy Frangois et paracheve par le Roy Henry son
1 *
Geb. vor 1515; Gest, nach 1584.
In Jacques Androuet Ducerceau brachte die franzöfifche Renaiffance einen
Künftler ganz befonderer Art hervor. Von Hause aus Architekt, ja fogar ein
bedeutender Architekt, offenbarte er feine Künftlerfchaft wefentlich nur in den
zahlreichen in Kupfer geftochenen Entwürfen, welche auf uns gekommen find;
und obgleich er nicht an die Gröfse eines Pierre Lescot und Philibert de L'Orme
heranreicht, übertrifft er diefe doch an nachhaltiger Wirkfamkeit bei weitem.
Als Ornamentift von unerfchöpflicher, anmuthvollfter Geftaltungskraft hat er
Muftergültiges hinterlaffen. Endlich zieht er das Intereffe durch die Wand-
lungen auf fich, die er im Laufe feiner Entwicklung durchmachte, und die ein
getreues Spiegelbild des Verlaufes geben, welchen die franzöfifche Renaiffance
überhaupt nahm.
Wollen wir uns über fein Leben und feinen Bildungsgang unterrichten, fo
könnte der Mangel an zuverläfsigen Nachrichten biliig wunder nehmen, begegneten
wir diefer Erfcheinung nicht faft regelmäfsig, wo es fleh um Künftler feiner Zeit
und feines Landes handelt. Das Gefühl der Perfönlichkeit war bei denfelben
noch nicht hinreichend entwickelt, die mittelalterlichen Traditionen noch zu mächtig,
nach welchen der Künftler hinter feinem Werke zurücktrat. So verlor das, was
man die künitlerifche That nennt, viel von feinem Nimbus. Und ftand ehemals,
in den Zeiten der Gothik, das Handwerkerthum einem Hervortreten der Perfon
des Künftlers im Wege, fo that es nunmehr ein neues, nicht minder gewichtiges
Moment. Wie die neue Kunft eine importirte war, fo war fie zunächft eine
Dienerin des Luxus; der Künftler ftand recht eigentlich im Dienfte der Grofsen.
Vorab gilt dies vom Architekten. Derfelbe führte die Intentionen des Bauherrn
aus; er lieh diefem fein Wiffen und feine Kunft; dafs er fein Beites dabei that,
fcheint als felbftverftändlich nicht weiterer Erwähnung werth. Durchblättert man
Ducerceau's bekanntes Kupierwerk „Des plus excellents bastiments de France"
mit den Aufnahmen, der Befchreibung und Baugefchichte der hervorragendften
franzöfifchen Schlöffer, fo wird man wohl ffets den Bauherrn, doch mit Ausnahme
von Lescot und de l'Orme, niemals den Baumeifter, d. h. den erfindenden Künftler,
genannt finden. Und auch jene beiden Ausnahmen betätigen nur die Regel.
Sehr charakteriftifch heifst es in der Befchreibung des Louvre: „Le tout com-
mence ... du vivant du feu Roy Frangois et paracheve par le Roy Henry son
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