Pierre Mignard.
Geboren im November 1610, t 6. Mai 1695.
Frankreich hat gröfsere Künltler geboren als Pierre Mignard, aber keinen
der durch leine Beziehungen zu hervorragenden Zeitgenoffen fo wie er zu einem
Stück verkörperter Culturgelchichte ward. Poullfn war ihm ein aufrichtiger Freund;
Lebrun Iah in ihm mit Recht einen gefährlichen Nebenbuhler; dem reichbegabten
Dichter Dufresnoy war er ein unzertrennlicher Gefährte in Freud und Leid, und
die grölsten Männer und fchönften Frauen feiner Zeit fchmeichelten dem glück-
lichen Künltler, weil es zum guten Ton gehörte fch von ihm malen zu Iahen.
Er war es, dem wir das geiftvolle Bildnifs des Cardinal von Retz verdanken,
eines der gewandteren aber auch unruhigften Köpfe feiner Zeit, des arihokratifchen
Demagogen, der mit dem Prinzen von Conde die Seele der Fronde war und nach
fünfzehn Monaten Haft in der Baftille faft ebenlo viele Jahre ganz Europa durch-
irrte, um nach MazariiPs Tode in Paris als einfacher Abbe von St. Denis den
Wiffenfchaften zu leben. Dielelbe Hand malte das Porträt Mazarin^s, der fch vom
kleinen fizilianifchen Edelmann zum Beherrlcher Frankreichs und feiner Königin
auffchwang, und der die Befeftigung des Despotismus, die fein grolser Vorgänger
Richelieu begonnen, durch Schlauheit vollendete. Da waren Boffuet, der Begrün-
der der Freiheit der gallikanilchen Kirche; Boileau, der Frankreich ein Jahrhundert
lang in Sachen des Geichmackes Geletzgeber war und durch feine Satiren die
gefchmacklofen Verfekünftler feiner Zeit vom Parnafse vertrieb, ein länfter edler
Mann und, wie die Sevigne fügte, nur in feinen Verfen graulam; Lafontaine,
Frankreichs gröfster Fabeldichter; Racine, fein grölster Tragiker und feinfter
Kenner des weiblichen Herzens, und Moliere, der nacheinander Candidat um die
Advokatur, Kammerdiener des Königs und Mitglied einer wandernden Schaulpieler-
Truppe war, um als feines Vaterlandes erfter Luftlpieldichter über die Gebrechen
der Zeit leine Icharfe Geilei zu fchwingen. Da war Chapelle, der geiftvolle Kri-
tiker, und Scarron )>von Gottes Gnaden, Kranker der Königin^, der felblt im Siech-
thum feines Körpers die heitere Laune zu bewahren verftand. Da waren endlich
fchöne galante Frauen, wie die nie alternde witzige und fcharffinnige Ninon, die
fentimentale Lavaliiere, die, dreilsig Jahre alt, den Schleier nahm, um ihre Sünden
abzubüfsen, die befchränkte und hochmtithig-eitle Fontanges, die anmuthige und
Geboren im November 1610, t 6. Mai 1695.
Frankreich hat gröfsere Künltler geboren als Pierre Mignard, aber keinen
der durch leine Beziehungen zu hervorragenden Zeitgenoffen fo wie er zu einem
Stück verkörperter Culturgelchichte ward. Poullfn war ihm ein aufrichtiger Freund;
Lebrun Iah in ihm mit Recht einen gefährlichen Nebenbuhler; dem reichbegabten
Dichter Dufresnoy war er ein unzertrennlicher Gefährte in Freud und Leid, und
die grölsten Männer und fchönften Frauen feiner Zeit fchmeichelten dem glück-
lichen Künltler, weil es zum guten Ton gehörte fch von ihm malen zu Iahen.
Er war es, dem wir das geiftvolle Bildnifs des Cardinal von Retz verdanken,
eines der gewandteren aber auch unruhigften Köpfe feiner Zeit, des arihokratifchen
Demagogen, der mit dem Prinzen von Conde die Seele der Fronde war und nach
fünfzehn Monaten Haft in der Baftille faft ebenlo viele Jahre ganz Europa durch-
irrte, um nach MazariiPs Tode in Paris als einfacher Abbe von St. Denis den
Wiffenfchaften zu leben. Dielelbe Hand malte das Porträt Mazarin^s, der fch vom
kleinen fizilianifchen Edelmann zum Beherrlcher Frankreichs und feiner Königin
auffchwang, und der die Befeftigung des Despotismus, die fein grolser Vorgänger
Richelieu begonnen, durch Schlauheit vollendete. Da waren Boffuet, der Begrün-
der der Freiheit der gallikanilchen Kirche; Boileau, der Frankreich ein Jahrhundert
lang in Sachen des Geichmackes Geletzgeber war und durch feine Satiren die
gefchmacklofen Verfekünftler feiner Zeit vom Parnafse vertrieb, ein länfter edler
Mann und, wie die Sevigne fügte, nur in feinen Verfen graulam; Lafontaine,
Frankreichs gröfster Fabeldichter; Racine, fein grölster Tragiker und feinfter
Kenner des weiblichen Herzens, und Moliere, der nacheinander Candidat um die
Advokatur, Kammerdiener des Königs und Mitglied einer wandernden Schaulpieler-
Truppe war, um als feines Vaterlandes erfter Luftlpieldichter über die Gebrechen
der Zeit leine Icharfe Geilei zu fchwingen. Da war Chapelle, der geiftvolle Kri-
tiker, und Scarron )>von Gottes Gnaden, Kranker der Königin^, der felblt im Siech-
thum feines Körpers die heitere Laune zu bewahren verftand. Da waren endlich
fchöne galante Frauen, wie die nie alternde witzige und fcharffinnige Ninon, die
fentimentale Lavaliiere, die, dreilsig Jahre alt, den Schleier nahm, um ihre Sünden
abzubüfsen, die befchränkte und hochmtithig-eitle Fontanges, die anmuthige und