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dem Grafen von Roden ausgehenden Kolonisationstätigkeit wird nördlich von Hannover
auch die Grenze zwischen den Bistümern und Hildesheim nach Osten vorgeschoben
worden sein, so daß auch die Stadt Hannover fortan zum Bistum Minden gehörte.
Auf den Siedlungsbau des 12. und 13. Jh. folgte seit der zweiten Hälfte des 14. Jh. eine
lange Wüstungsperiode. Das späte Mittelalter (1275-1500) war gekennzeichnet von den
ständigen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten. Während der
Kaiser bemüht war, die Einheit des Reiches zu erhalten, versuchten die Adelsgeschlechter
mehr Selbständigkeit zu erlangen. Dieser ständige Kampf hatte einen Auf- und Niedergang
der Siedlungstätigkeiten zur Folge. Die Städte und ihr Bürgertum zogen damals den größ-
ten Gewinn aus diesen Streitereien.
Die Entstehung oder Bildung der Städte fiel auch im Bereich des Landkreises Hannover
weitgehend mit der Rodungszeit zusammen. Während der Siedlungskonzentration des 14.
und 15. Jh. fielen im gesamten Gebiet des Landkreises Einzelsiedlungen und kleinere
Dörfer wüst. Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen kam, daß Mitte des 14. Jh.
große Seuchen, wie die Pest (1348-1352) und Mißernten die Abwanderung zu den neu
erschlossenen Ostkolonien verstärkten. Der Bevölkerungsrückgang um ein Drittel hatte
erhebliche wirtschaftliche Folgen für die Landwirtschaft. Es gab zunehmend Schwierigkei-
ten das Getreide auf den Märkten zu veräußern. Die Bauern gerieten in finanzielle Not, und
einige waren sogar gezwungen, ihre Hofstellen zu verlassen. Der Adel oder reiche Bürger
kauften den bäuerlichen Besitz auf.
Eine Rückentwicklugn des Kulturlandes östlich des Deisters wurde verhindert durch das
„Bauernlegen“ der Klöster und die Maßnahmen der größeren Ortschaften und Städte, die
die Felder der wüstgefallenen Ortschaften bewirtschafteten. Die Bewohner von Einzelhöfen
und kleineren Dörfern fanden Schutz innerhalb der Befestigungsanlagen. Mit dem 15. und
16. Jh. begann ein neuer Aufschwung in der Landwirtschaft. Es führte zu erheblichen
Verdichtungen und Ausdehnungen der bestehenden Siedlungen und zur Vermehrung des
Kulturbodens vor allen Dingen im nördlichen Teil des Kreises.
Aus den Streitereien mit den benachbarten Herzogtümern und Bistümern gingen die Wel-
fen als fast alleinige Besitzer des gesamten Kreisgebietes hervor. Ihr Herzogtum war seit
Mitte des 13. Jh. in die beiden Fürstentümer aufgeteilt, in denen die Lüneburger und die
Braunschweiger Linie der Welfen regierten. 1495 wurde das neue Fürstentum Calenberg
gegründet, das als Ursprung des späteren Kurfürstentums und Königreichs Hannover
angesehen wird. Es umfaßte den westlichen Teil des Landkreises mit der Stadt Hannover.
Der östliche Teil stand unter Lüneburger Verwaltung. Die Herzöge organisierten ihre
Besitztümer neu, um gezielter Gelder für ihre Interessen auftreiben zu können. In dem
Calenberger Bereich entstanden die Ämter Calenberg, Bokeloh, Blumenau, Langenhagen,
Koldingen und Neustadt am Rübenberge. Der Lüneburger Bereich wurde in die Ämter
Burgdorf und Meinersen mit der Vogtei Uetze und die Amtsvogteien Bissendorf, Burgwedel
und Ilten aufgeteilt.
Während des Dreißigjährigen Krieges kam die Neulandgewinnung völlig zum erliegen.
Danach erholte sich die Landwirtschaft sehr schnell. Die hohen Zinslasten und die drücken-
den Dienstleistungen wurden ausgesetzt oder reduziert. Um die Versorgung der stark
anwachsenden Bevölkerung sicher zu stellen, wurden den Bauern für die Neubeschaffung
des Viehbestandes und des Saatgutes Kredite eingeräumt. Durch den verstärkten agrari-
schen und gewerblichen Landesausbau der Fürsten erlebte der Stand der Bauern einen
neuen kräftigen Aufschwung. Die zweite Welle der Nachbesiedlung setzte ab 1650 ein. Die
letzten noch verbliebenen Waldstücke zwischen den Höfen wurden gerodet und besiedelt,
oder die Reihe der Hufen am Ende einer Bauerschaft verlängert. Das kultivierte Land fraß
sich immer weiter in die schnell schwindenden Waldflächen wie den „Nordwohld“ im Nord-
westen des Landkreises. Die neuen Ansiedler hatten nicht mehr die Möglichkeit, wie die
Gründer der Siedlung, sich die fruchtbarsten Landstücke auszusuchen. Sie mußten sich
mit dem übrig gebliebenen Land begnügen. Waren die Hofgrundstücke zum Beginn der
Siedlung noch etwa gleich groß, so gab es nach der zweiten Siedlungswelle bereits
erhebliche Unterschiede.
Für die Arbeiten an den Befestigungen ihrer Städte und Burgen benötigten die Landesfür-
sten Gelder, die sie durch ein neues Steuersystem eintrieben. Die frühere Naturalabgabe
wurde 1667 durch eine Geldabgabe ersetzt. Es war eine Grundsteuer, die abhängig war
von dem Besitz und den erwirtschafteten Erträgen. Die damals entstandenen Kontribu-
tionslisten geben uns Aufschluß über die wirtschaftliche Situation und sind oft die einzigen
schriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit.
Unter dem Welfen Georg Ludwig, dem späteren König Georg I. von England wurden 1705
die Fürstentümer Calenberg und Lüneburg vereinigt. Aufgrund der Personalunion mit Eng-
land wurde Hannover durch die zahlreichen Auseinandersetzungen der Engländer in Mitlei-
denschaft gezogen. Besonders der Siebenjährige Krieg richtete schweren Schaden an.
1803 geriet Hannover unter französische Herrschaft. Es wurde dem Königreich Westfalen
zugeordnet. Eine neue Verwaltungsgliederung wurde eingeführt, die jedoch nur von kurzer
Dauer war. Auf dem Wiener Kongreß wurde das Kurfürstentum Hannover zum Königreich
Hannover erhoben. 1823 erhielt das Königreich eine Landdrosteiordnung, die neben der
Zentralverwaltung in Hannover sechs Landdrosteien vorsah. Die Zuständigkeitsbereiche
der Ämter wurden abgesteckt und das Amt Hannover neu geschaffen. Als Folge des
preußisch-österreichischen Krieges von 1866 wurde Hannover preußische Provinz. Mit der
Kreisreform von 1872, die 1885 in Hannover umgesetzt wurde, entstanden die fünf Kreise

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