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Landwirtschaft

Von den ca. 2085 qkm des Landkreises Hannover werden fast die Hälfte als Acker- und
etwa ein Achtel als Grünland genutzt. Die Landwirtschaft spielt für die Geschichte der
Siedlungen im Landkreis Hannover eine bedeutende Rolle. Noch Mitte des 19. Jh. gab es,
von bescheidenen Anfängen abgesehen, kaum nennenswerte Industrien im Kreisgebiet.
Bis auf die wenigen kleinen Städte war das Leben in den fast 200 Ortsteilen von der
landwirtschaftlichen Produktion oder der Holzwirtschaft bestimmt.
Die sich über Jahrhunderte hinziehende Entwicklung der dörflichen Siedlung führte zu einer
ausgeprägten sozialen Differenzierung innerhalb der Dorfgenossenschaft. Sie bestanden
aus Meier- und Kötnerhöfen, deren Rechte und grundherrliche Lasten sich in Abhängigkeit
von ihrer Hofstelle ergaben. Die Gewannsiedler, die späteren Meier waren die ersten
Siedler eines Dorfes und bildeten seinen Kern. Sie nahmen aufgrund ihres besser ausge-
bauten und größeren Ackerlandes eine sozialrechtliche Vormachtstellung ein. In einigen
Ortschaften des Landkreises Hannover wie Jeinsen oder Schneeren ist die bevorzugte
Lage der älteren Höfe deutlich erkennbar.
Die Kötner oder Erbkötner waren ursprünglich abgehende Söhne eines Althofes. Sie erhiel-
ten von dem Meier ein Stück Land, Vieh und eine Behausung. Anders war es bei den
Markkötnern, die ihre Flächen der bisher unbewirtschafteten Mark abgewinnen mußten.
Viele von ihnen konnten keine ausreichenden Erträge erwirtschaften und wurden Häuslin-
ge, eine Art Tagelöhner. Mit der Zeit erlangten die Kötner immer mehr Rechte und wurden
in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Während die Kötner ihr Land aus der Gemeinde-
mark zugeteilt bekamen, mußten die Brinksitzer ihre Hofflächen von den Meiern überneh-
men. Einige der Brinksitzer stiegen später zum Kötner auf. Viele Altbauern und zum Teil
auch Kötner richteten Häuslingshäuser für die bei ihnen arbeitenden Tagelöhner ein. Die
Häuslinge und Brinksitzer, die neben der harten Arbeit hohe Abgaben zu leisten hatten,
konnten ihre Familie oft nicht ernähren. Sie wurden zum Teil Handwerker und Gewerbetrei-
bende. So konnten in einigen Ortschaften wie Altenhagen I, (Pott-)Holtensen, Eldagsen
oder Springe Handwerkszweige entstehen, aus denen sich später z.T. kleinere Industriebe-
triebe bildeten. Es waren Steinhauer, Töpfer, Tischler oder Weber.
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Landwirtschaft war das sich seit
dem Ende des 12. Jh. herausbildende Meierrecht. Es regelte die Pflichten und Rechte des
vom Grundherren mit der Bewirtschaftung eines Hofes beauftragten Meiers im Rahmen
eines Zeitpachtvertrages. Aus dieser Zeitpacht entwickelte sich die in Lüneburg 1608
gesetzlich festgelegte Erbpacht. Das Ende des Meierrechts ergab sich 1831 als die grund-
herrlichen Lasten durch den Erwerb der Pachthöfe durch Geldzahlung abgelöst werden
konnten.
Neben dem Meierrecht entwickelte sich das Hagenrecht, das den Gründern der Hagenhu-
fensiedlungen besondere Privilegien einräumte. Die Bauern gehörten in dem Feudalsy-
stem, das sich etwa bis Mitte des 11. Jh. herausgebildet hatte und in dieser Form bis zur
Bauernbefreiung im 18. und 19. Jh. bestehen blieb, zu der untersten, fast rechtlosen
Schicht. Um sie für die Mühsalen der Landgewinnung einzunehmen, gestanden ihnen die
Grundherren besondere Rechte zu. Das Hagenrecht garantierte den Bauern ein weitge-
hendes Besitzrecht an den gerodeten Ländereien. Die Siedler der Hagendörfer zählten zu
den freien Bauern. Sie erhielten ihre Hufe in Erbpacht und hatten das lebenslängliche
erbliche Nießbrauchrecht. Obwohl sie ihren Besitz verkaufen, verpfänden oder teilen konn-
ten, besaßen sie nicht das freie Eigentumsrecht. So waren sie z.B. an den Hof gebunden
und durften ihn erst verlassen, wenn ein Nachfolger gestellt war. Hierdurch war die Konti-
nuität der Bewirtschaftung und der finanziellen Erträge für die Grundherrschaft gesichert.
Neben den rechtlich-sozialen Vorteilen hatten die Hagenbauern auch geringere Abgaben
zu leisten. Diese anfänglichen Vergünstigungen beschnitten ihnen jedoch die Grundherren
im Laufe der Zeit. Die früheren Privilegien waren Grundlage für die Siedlungsentwicklung
der Isernhägener Bauerschaften. Der von den Bewohnern betriebene Hopfenhandel schuf
hier die finanziellen Voraussetzungen für den Bau der aufwendig abgezimmerten Fach-
werkbauten, die dieses Hagenhufendorf bestimmen.
Wegen des kargen Graswuchses auf dem ständig beweideten Grünland und der begrenz-
ten Weidefläche konnte nur eine geringe Zahl Vieh gehalten werden. Eine Ausweitung der
Produktion konnte nur über die Neulandgewinnung oder die intensivere Landwirtschaft
erreicht werden. So gab es zwischen dem 12. und 18. Jh. nur wenige Neusiedler, die noch
einen Anteil an den Gemeinheiten erhielten, da die Altbauern ihren Besitzanspruch auf die
Flächen der Gemeinheiten geltend machten.
Die Veränderung der Hofgrößen bis zum 17. Jh. ist sicher auf die Erbteilungen zurückzu-
führen. Durch die Aufteilung der Hofflächen bei der Erbfolge entstanden nicht nur kleinere
Flure, es wurde zugleich das Recht an der gemeinsamen Hude und dem gemeinsamen
Waldbesitz halbiert. Die in der ersten Siedlungsphase von recht einheitlicher Größe ange-
legten Meierhöfe veränderten sich in unterschiedlichem Maße. Hatten die Erbhöfe des
frühen Landausbaues noch ein bestimmtes Recht an der Allmende, so mußten sich die
Bauern der Nachsiedlungsperioden mit den ihnen zugestandenen bisher unkultivierten
Flächen begnügen. Durch die Aufteilung der Gemeinheiten und der Landvergabe an die
Kötner änderte sich nicht nur die Struktur der früheren Siedlungen, sondern zugleich
vollzog sich auch ein grundlegender Wandel des Landschaftsbildes. Innerhalb der Reihung

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