Kircher Bauerschaft, Randbebauung des Kirchviertels
den sein. Damit gehört es zu den seltenen älte-
ren Bauten, die nicht als bäuerlich geprägte
Wohnwirtschaftsgebäude, sondern als reine
Wohnbauten entstanden.
Verschiedene Bauphasen vereinigt das Wohn-
haus Nr. 3, ein erst um 1905 massiv untermau-
ertes Gebäude, das damals wohl auch seinen
traufseitigen Zugang bzw. seine traufständige
Ausrichtung erhielt. Wie seine stockwerkweise
vorkragende, durch kurze Fußbänder belebte
Giebelseite nahe legt, datiert der Kern des Ge-
bäudes sicherlich in das 16,/frühe 17.Jh. zu-
rück (beachtenswert seine eingeschobene
Balkenlage auf EG-Fußbodenniveau).
Haghof
Zu den beeindruckendsten und deutlich aus
der ländlich geprägten Bauweise herausste-
chenden Gebäuden der Kircher Bauerschaft
gehört der Haghof, eine noch heute imposante
Anlage, die sich nördlich der Dorfstraße auf
weitläufigem Terrain erstreckt. Die frühesten
Entwurfspläne dieses umfassenden Bauvorpro-
jektes datieren in das Jahr 1909 und wurden
vom Bauherrn persönlich, dem Architekten und
Hochschullehrer Ferdinand Eichwede entwi-
ckelt; nach seinem Tod 1909 verzeichnen die
Pläne dessen Schwester (?) Alma Eichwede als
Eignerin der Anlage (Dorfstr. 2). Als Zugang
zum mauerumwehrten Haghof fungiert ein aus
ineinanderverschlungenen Schlangen gebilde-
tes Schmucktor, ein zentrales Wagentor zwi-
schen zwei schmalen, ebenso aufwendig gear-
beiteten Fußgängerpforten (vgl. ein weiteres,
schlichteres Rundbogentor auf Parzelle Dorfstr.
4). Das Tor markiert den höchsten Gelände-
punkt der Anlage. Von hier fallen die Flächen
des Haghofes, dem Geestrücken folgend,
deutlich gegen Norden ab, wobei die seitlichen
Bereiche - durch massive Terrassierungen
gestützt - gegenüber dem mittigen Hauptweg
leicht erhöht bleiben. Zwischen Bäumen einge-
bettet erhebt sich nahezu in der Senke das weit
von der Dorfstraße zurückversetzte Wohnhaus,
dessen Fassadengestaltung bereits aus der
Ferne an englische Landhäuser des späten
19.Jh. erinnert: Als eine Grundidee dieses seit
1900 in Deutschland von H. Muthesius propa-
gierten englischen Stils ist, die Einheit von Haus
und Garten hervorzuheben, die die ineinander
übergehenden bewohnbaren Innen- und Au-
ßenflächen als ästhetisches Gesamtkunstwerk
und „Ausdruck eines individuellen, naturverbun-
denen Lebensstils” erlebbar werden lässt
(Muthesius 1919, Der Garten ist integrierender
Teil des Landhauses).
Zum äußeren Erkennungsmerkmal avancier-
te jedoch die durch hoch aufragende (engli-
sche) Kamine, Anbauten, Vor- und Rück-
sprünge belebte Fassadenführung, die aller-
dings im Kontrast zu den verschachtelten
Heimat- und Landhausstilen auf filigranes
Zierfachwerk, Freigespärre und gotische Türm-
chen verzichtete. Stattdessen überfingen tief
gezogene Dächer (hier Walmdach) die Ge-
bäude und trugen so zur optischen Beruhigung
der Fassaden bei.
Kircher Bauerschaft, Dorfstraße 2, Haghof, Hauptportal
234