vom alten Dorf entscheidend mitbestimmt.
1912 als achteckiger Backsteinturm mit über
Zierprofilen vorkragendem Wasserbehälter
erbaut, wurde der Turm zugleich Wahrzeichen
des Viehmarktes, den man seit 1911 in der
benachbarten Viehverkaufshalle wöchentlich
abhielt. Nach dem Abriss der Halle und der
Rampe, über die man das Vieh vom Viehbahn-
hof zum Markt trieb, ist der Wasserturm heute
eines von wenigen verbliebenen Zeichen der
historischen Industriestadt Lehrte.
Nur wenige Jahre früher - 1881 - war südöst-
lich der Stadt die „Portland-Cementfabrik H.
Manske u. Co.” gegründet worden. Die
Geschichte dieser florierenden Fabrik war
jedoch nur kurz - schon 1882 legte ein Groß-
feuer die Anlage in Schutt und Asche. Erst
1893 wurde die Konzession zum Wiederaufbau
vom Kreisausschuss erteilt und der Betrieb bis
zum Ausscheiden H. Manskes 1909 aufrecht-
erhalten. Nach einer „vorübergehenden” Still-
legung im Jahr 1910 ging das Grundstück samt
Gebäude 1927 an die Maschinenfabrik F. Bade
über. Aus der Zeit der Erstgründung blieb ledig-
lich das sog. Verwaltungsgebäude Germania-
straße 6 („1881”) erhalten, ein ganz dem klas-
sizistischen Formenempfinden verpflichteter
Putzbau mit Eckbetonung, Mittelrisalit und fla-
chem Dreieckgiebel. Das villenartige Gebäude
wurde jedoch niemals als Direktorenwohnhaus
genutzt, da hierfür die Villa Nordstern am
Rande der Stadt zur Verfügung stand. Die nur
wenige Meter westlich aufgehenden mehrge-
schossigen Wohnhäuser Nr. 11 a (um 1885), Nr.
12 und Bruchstraße 1 (um 1895) werden als
repräsentative Mehrfamilienhäuser sicherlich im
Zusammenhang mit den Fabriken entlang der
Germaniastraße zu lesen sein; eine eindeutige
Zuordnung zu den Zementwerken bleibt indes
kaum möglich, zumal H. Manske eine werksei-
gene Arbeitersiedlung nachweislich an der
Taubenstraße ausbauen ließ.
Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges
wurde nördlich des Stadtparks und der weitläu-
figen Industrieanlagen der neue Lehrter Stadt-
friedhof (1913) eröffnet (Am Stadtpark). Zeit-
typisch ist die Diagonalausrichtung der breiten
Hauptachse, die sich als Entree zu einem lang
gezogenen Rasenoval weitet, die Inszenierung
des Friedhofes durch ein lorbeerbehangenes
Wagentor. Als Blickpunkt und inhaltliche Mitte
wirkt die um 1925/29 errichtete Friedhofs-
kapelle, ein formschöner pagodenartiger Zie-
gelbau seltener Qualität: Das hoch aufragende
Kapellenoktogon umläuft dreiseitig eine zierli-
che Säulenhalle, ein hoher Portikus empfängt
den Besucher. Der Bauzeit gemäß, wurden an-
hand des Baumaterials, des Ziegels, sowohl
ornamentale Flächengliederungen als auch
plastische Wirkungen erzielt, die mit der Leich-
tigkeit der Architektur angenehm kontrastieren.
Nordwestlich des Rasenovals zeichnet sich der
hoch aufragende Obelisk der Ehrengedenk-
stätte zur Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg
Gefallenen ab, Zentrum eines runden Rhodo-
dendrenwalls und eines begleitenden Stelen-
runds. Mit der figürlichen Ausgestaltung des
Obelisken durch einen trauernden weiblichen
Genius in der geöffneten Himmelspforte und
eines Sämannes („Durch Tod zu neuem Leben”)
Lehrte, Am Stadtpark, Friedhofskapelle, um 1925/29
Lehrte, Germaniastraße 22, Wasserturm der ehern. Zuckerfabrik, 1912
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