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Krumm, Carolin [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 13,2): Region Hannover: nördlicher und östlicher Teil; mit den Städten Burgdorf, Garbsen, Langenhagen, Lehrte, Neustadt a. Rbge., Sehnde, Wunstorf und den Gemeinden Burgwedel, Isernhagen, Uetze und Wedemark — Hameln, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.44258#0417
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20.Jh. geschlossen, die Anlagen bis 1997
abgebrochen wurden. 1898 band man die han-
noversche Straßenbahn an den Sehnder Bahn-
hof an, um den erstarkenden Güterverkehr vor-
nehmlich der Zuckerfabrik bewältigen zu kön-
nen, 1915 folgte das Anschlussgleis des
Schachtes II des Bergwerkes Friedrichshall.
Auch waren an die Freigabe (1928) des seit
1919 im Bau befindlichen Mittellandkanal-
abschnitts zwischen Misburg und Peine hohe
wirtschaftliche Erwartungen geknüpft, denn
immerhin sicherte sich Friedrichshall einen eige-
nen Werkshafen am unmittelbar südlich von
Sehnde verlaufenden Kanal, der den kosten-
günstigen Wasserweg auch für den Kalium-
schlag erschloss. So prägen die südliche
Stadtansicht moderne, den Mittellandkanal
überspannende Bogenbrücken und sich eine
nördlich anschließende, ruhige Vorsiedlung gie-
belständiger Einfamilienhäuser. Leider haben
jedoch großflächige Verdichtungen und der
Ausbau einiger Straßen zu stark frequentierten
Verkehrsachsen (u.a. B 65) den räumlichen
Zusammenhalt des Ortes nicht nur deutlich
geschwächt, sondern auch die historische
Bausubstanz entschieden minimiert. Zusam-

menhängende Quartiere bleiben daher verein-
zelt, so u.a. im unmittelbaren Umfeld der Kir-
che, die zusammen mit dem hinterfangenden
Kaliabraumberg des Bergwerkes Friedrichshall
die südliche Ortseinfahrt dominiert.

Ev. Kirche
Die heute auffallend gelb getünchte Kirche an
der Kurzen Straße ist Sehndes ältestes
Baudenkmal. Aber auch sie ist ein Neubau der
Jahre 1737-39, nachdem der Vorgängerbau
wegen Baufälligkeit offensichtlich nicht mehr zu
halten war; einzig der noch instandsetzungsfä-
hige Turm (1625 ausgebrannt) blieb erhalten
und wurde in den Neubau, der nach Plänen des
Ingenieur-Offiziers E. Braun auf kreuzförmigem
Grundriss entstand, integriert. Zwischen dem
Turm im Westen und der Sakristei im Osten
erstreckt sich der nordsüdlich orientierte
Kirchenraum, der sich - anders als üblich - zur
Breitseite hin orientiert. Die Kirche nähert sich
somit einem offenen Auditorium, wie dies spä-
terhin die Kirchen zur Zeit der Aufklärung for-
mulieren.

Das Äußere der Kirche präsentiert sich streng
und schlicht, nur die glatte Eckquaderung und
stichbogige Fensterbahnen in grau gestriche-
nem Sandstein rhythmisieren die Fassaden des
Kirchenschiffs, das der spitze Helm des aus
Bruchsteinen (EG) gefügten Westturmes deut-
lich überragt. Als eine Zutat des 19.Jh. geben
sich lediglich die neugotischen Unterteilungen
der Fenster zu erkennen, die die Pfarrakten als
Modernisierungen des Jahres 1874 erkennen
lassen; den Entwurf für diese „gusseisernen
Fenster” lieferte Konsistorialbaumeister C. W.
Hase.
Das Innere der mit einem Spiegelgewölbe ver-
sehenen Kirche umläuft dreiseitig eine hölzerne,
mit zierlichen Arkaden abschließende Empore;
ihre stichbogigen Brüstungsfelder (1738) bele-
ben goldfarbene Girlanden im Bandelwerk-
dekor auf dunklem Grund, grazile Rahmungen
üppiger Blumen und Bouquets, die - zunächst
überstrichen - in jüngerer Vergangenheit wieder
freigelegt worden sind. Inhaltliche Mitte der
Kirche war und ist der an die Südwand platzier-
te Kanzelaltar, ein Werk des Hildesheimer
Meisters Ernst Dietrich Bartels, das dieser
ebenfalls im Jahr 1738 anlieferte. 1885 baute
der Sehnder Tischler A. Rust den barocken,
von zwei tordierten Säulen flankierten Altar
nach Plänen C. W. Hases entschieden um,
wobei offensichtlich nur die vier Apostelfiguren
samt Konsolen Wiederverwendung fanden.
Nachdem fast einhundert Jahre später die aus-
gelagerten Versatzstücke des Altars zufällig
wieder aufgefunden worden waren, entschied
man sich zum Rückbau des barocken Altars,
der in dieser rekonstruierten Form seit 1967
den Kirchenraum beherrscht. Er harmoniert mit
der vollplastischen Figur Johannes des Täufers
(E. D. Bartels, 1739), die als figürliche Interpre-
tation einer Taufe im Kreisgebiet Seltenheits-
wert besitzt; vermutlich ersetzte sie die steiner-
ne Taufe des Jahres „1593”, die lange Zeit als
Blumenkübel diente und jetzt wieder - auf einer
romanischen (!) Säulenbasis platziert - die
Kirche ziert. Die Orgel entstammt im Kern dem
18.Jh. (laut Rechnungen 1769 geliefert) - die
durchbrochen gearbeiteten Schleierbretter und
Prospektturmaufsätze bestätigen dies. Um
1914 zum zweiten Male durch die Firma
Furtwängler & Hammer grunderneuert und um
die flankierenden, segmentbogig geschlosse-
nen Kompartimente ergänzt, wurde das baro-
cke Klangsystem schließlich um 1962 rückge-
baut.
Die Fläche des umlaufenden, von einer flachen
Mauer umzogenen Kirchfriedhofes beleben
noch einige historische Grabsteine, darunter
sechs reliefierte Stelen des 18.Jh., die - annä-
hernd zur Zeit des Kirchenbaus gesetzt - heute
ein separates Wetterdach schützt; ältester
erhaltener Grabstein ist der seitlich der Sakristei
platzierte Urnenpfeiler der Auguste L. Schütze
(gest. 1820). 1972 wurde das Krieger-Ehren-
mal, geschaffen zur Erinnerung an die Toten
des Ersten Weltkrieges, auf den Kirchfriedhof
verbracht, ein Pfeilermal mit aufliegender voll-
plastischer Figur eines knienden Soldaten
(Einweihung 1923).


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Sehnde, Kurze Straße, Ev. Kirche, Blick von Südwesten

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