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Zimmermann, Petra Sophia [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 18, Teil 2): Landkreis Celle: Landkreis Celle ohne Stadt Celle — Hameln, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.44418#0181
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Wohnhaus mit Zwerchhaus von 1859 und am
östlichen Ufer die Wassermühle. Nachdem
der Vorgängerbau bei einem Brand zerstört
worden war, wurde 1796 der, zunächst einge-
schossige Fachwerkbau geschaffen; am An-
fang dieses Jahrhunderts stockte man das
Mühlengebäude auf (1900) und ersetzte die
Wasserräder durch eine Turbine (1905). Dem
Mahl- und Sägebetrieb wurde auch eine Brot-
bäckerei angeschlossen. Im Inneren der
Mühle, die heute nicht mehr in Funktion ist,
hat sich die Arbeitsbühne mit der Maschinerie
erhalten. Über die Lutter spannt sich das
Wehr.
Auf dem Nachbarhof (Endeholzer Straße 6/
6a) sind das Vierständerhaus von 1844 und
die Scheune zur Straße orientiert. Der Wirt-
schaftsgiebel mit tiefer Vorschauer ist durch
segmentbogenförmige Abschlüsse der Gefa-
che unter dem Dachbalken geschmückt. Zu
der Hofstelle gehörte ehemals auch das
Wohnhaus mit Stallanbau (Nr. 25) im hinteren
Bereich, das wohl einem Landarbeiter zuge-
wiesen war. Bei dem Vierständerhaus von
1856 auf dem Hof, An der Lutter 3, ist der

zweistöckige Wohnteil quer zum Wirtschafts-
teil orientiert. Zwei Dielentore führen in den
Wirtschaftstrakt, der in Scheune und Stall
längsgeteilt ist. Dieser Giebel ist auch durch
segmentbogenförmige Gefacheabschlüsse
ausgezeichnet. Die südliche Seite des spitz
zulaufenden Grundstücks ist von dem Win-
kelbau einer Scheune mit Speicherteil einge-
faßt. Am östlichen Dorfrand (RäderloherWeg)
wurde 1855 die Schule in Gestalt eines
Wohnwirtschaftsgebäudes mit Quereinfahrt
errichtet; heute sind dort Ferienwohnungen
eingerichtet.

UNTERLÜSS

Der Ort Unterlüß liegt 36 km nordöstlich der
Stadt Celle an der Landesstraße 280. Er
wurde erst 1847 gegründet, als man eine Hal-
testelle zur Holzverladung an der neu eröffne-
ten Bahnlinie Hannover-Harburg einrichtete.
Die Bahn- und Waldarbeitersiedlung wurde
nach dem Forst Lüß benannt, an dessen
Nordrand sie liegt. Seit 1900 wurden hier

auch holzverarbeitende Betriebe und die Kie-
selgurindustrie ansässig. Die Rheinmetall AG
(ursprünglich „Rheinische Metallwaaren-
und Maschinenfabrik AG“), Düsseldorf, legte
1899 einen Schießplatz im nördlichen Ortsteil
Hohenrieth (zunächst selbständig und seit
1943 eingemeindet) an und richtete kurze
Zeit später eine Munitionsanstalt ein, die wäh-
rend des Ersten Weltkrieges ausgebaut
wurde. Zudem begründete die Heeresver-
waltung 1914 eine Minenwerferschule; für die
Soldaten wurden Baracken bereitgestellt. In
den dreißiger Jahren wurde der Rüstungsbe-
trieb erweitert. Zu dieser Zeit gab der Staat
Teile des in seinem Eigentum befindlichen
Waldes zum Verkauf frei. In der Folge schuf
die Rheinmetall AG für Werksangehörige
Wohnraum in Form von Siedlungen. So ent-
standen die eingeschossigen Doppelwohn-
häuser der Ostsiedlung an der Heinrich-Er-
hardt-Straße, der Südtor-Siedlung und der
Süd-Siedlung an der Müdener Straße sowie
der Siedlung Neue Straße, außerdem die
zweigeschossigen Reihenhäuser und Wohn-
blocks an der Berliner Straße. Auch viele der
zugezogenen Arbeitskräfte bauten sich ei-
gene Häuser auf kleinen Grundstücken, vor
allem an den Straßen nach Hermannsburg
und Müden. Die Bevölkerungszahl stieg von
rund 50 im Jahr 1848 auf 4.000 im Jahr 1944
an. Zwischen 1939 und 1945 war in Unterlüß
dieselbe Zahl von Zwangsarbeitern regi-
striert, die überwiegend aus Polen, der So-
wjetunion und Jugoslawien stammten. Damit
war Unterlüß während des Krieges der Ort mit
den meisten gemeldeten ausländischen
Zwangsarbeitern im Landkreis Celle. Sie ar-
beiteten in der Rüstungsindustrie und waren
in verschiedenen Lagern untergebracht.
Nach dem Krieg sorgte ein Textilmaschinen-
unternehmen für die Neubelebung der Wirt-
schaft. Seit 1956 wurde auch der Betrieb der
Rheinmetall AG, der im Krieg größtenteils
zerstört worden war, wieder aufgebaut.

Marwede, Rädeloher Weg, ehern. Schule

Die Gemeinde Siedenholz, die 1851 aus acht
Wohnplätzen gebildet worden war, ist im Jahr
1910 umbenannt worden in „Gemeinde Un-
terlüß“; Verwaltungssitz ist seitdem der
gleichnamige Ort. Später sind einige Ort-
schaften der Nachbargemeinden zu Unter-
lüß geordnet worden, so 1942 Hohenrieth,
Alten- und Neuensothrieth und 1973 Lutter-
loh. Heute besitzt die Gemeinde Unterlüß
4.400 Einwohner. Sie liegt inmitten eines
Mischwaldgebietes, das zu den größten zu-
sammenhängenden Waldgebieten Deutsch-
landsgehört. Daher ist diese Gegend-bis auf
den Ort Unterlüß - nur sehr dünn mit Einzel-
höfen besiedelt.

Marwede, Endeholzer Straße 6/6a, Scheune

Als „Industrieort“ junger Gründung hat Un-
terlüß eine im Landkreis Celle außergewöhn-
liche Siedlungsstruktur. Wegen des unfrucht-
baren Bodens fehlt bis heute jede Landwirt-
schaft. Der Ort unterscheidet sich damit von
Dörfern - wie Wietze und Hambühren -, die
zwar bedingt durch die Industrie gewachse-
nen sind, aber einen alten Kern von Gehöften
besitzen. Unterlüß erstreckt sich über etwa 4
km Länge zwischen den beiden Wachstums-
zentren, dem Bahnhof im Süden und dem
Werk der Rheinmetall AG im Norden. Die Mü-

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