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Zimmermann, Petra Sophia [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 18, Teil 2): Landkreis Celle: Landkreis Celle ohne Stadt Celle — Hameln, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.44418#0192
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Wienhausen, Klosteranlage, Erdgeschoß (ohne Krankendiele), 1 :400. Institut für Denkmalpflege

Architektur der norddeutschen Backsteingo-
tik. Der zweigeschossige Baukörper erhebt
sich über Fundamenten aus Raseneisenstein
und ist durch ein Geschoßgesims unterteilt.
Gegenüber der Gemeindekirche springt der
Bau nach Süden zurück. Die Südfront ist
durch Strebepfeiler regelmäßig gegliedert. In
den Intervallen befinden sich im Erdgeschoß
kleine Spitzbogenfenster, im Hauptgeschoß
hohe Spitzbogenblenden, in die gekuppelte
Fenster mit einem Kreis im Zwickel einge-
schrieben sind; im Hauptgeschoß der West-
front ist hingegen ein dreibahniges Maßwerk-
fenster eingesetzt. Die Gewände der Türen,
Fenster und Blenden sind aus Formziegeln
gemauert, die z.T. glasiert sind. Das Sattel-
dach bekrönt ein Dachreiter (am Anfang des
18. Jh. erneuert), wie es für Zisterzienserkir-
chen typisch ist. Im Erdgeschoß befindet sich
eine, aus zwei Teilen bestehende „Unterkir-
che“ (die ursprüngliche Funktion dieses Rau-
mes ist nicht bekannt); der östliche Teil geht
in die Gemeindekirche über. Im Hauptge-
schoß liegtder Nonnenchor, ein hohervierjo-
chiger Saalraum mit Kreuzrippengewölben.
Die Öffnung zur Gemeindekirche ist durch
Priecheneinbauten und eine Bretterwand ge-
schlossen. Der Nonnenchor besitzt prächtige
Wand- und Gewölbemalereien, die über dem
hölzernen Chorgestühl ansetzen. Sie sind um

1335 in Fresko ausgeführt und geschlossen
erhalten. Eine Übermalung aus dem Jahr
1488 wurde 1867/68 abgenommen und die
ursprüngliche Fassung erneuert. Die Male-
reien stehen in stilistischem Zusammenhang
mit braunschweiger und englischen Werken.
Die Darstellungen entstammen verschiede-
nen Themenkomplexen und behandeln Mar-
tyrien von Heiligen, bedeutsame Ereignisse
aus dem Alten Testament, Szenen aus der
Lebens- und Leidensgeschichte Christi so-
wie die Mächte des Himmels. Im Chor ist der
Marienaltar, ein Flügelaltar aus dem Jahr
1519, aufgestellt, der im Mittelfach der Pre-
della den „Gnadenstuhl“, eine Figuren-
gruppe der Heiligen Dreifaltigkeit, zeigt; damit
wird Bezug genommen auf die in Wienhausen
verehrte Relique des Heiligen Blutes.
Der Treppengiebel der Nonnenkirche bildet
mit dem, im stumpfen Winkel anschließenden
Treppengiebel des Westflügels die charakte-
ristische Eingangsfront des Klosters: die Gie-
belfelder sind jeweils durch gestaffelte Spitz-
bogenblenden gegliedert, wobei hier gekup-
pelte Lanzettbahnen mit einem Kreis im Zwik-
kel, dort Lukenöffnungen und gekuppelte
Fenster einfügt sind; beide Giebel sind außen
von einem oktogonalen Treppenturm einge-
faßt.

Mit dem Westflügel wurde um 1308 der völ-
lige Neubau des Klosters begonnen; von ei-
nem ersten Baubestand ist allein die Allerhei-
ligenkapelle überliefert. Der Westflügel ist der
einzige dreigeschossige Teil des Kloster-
komplexes. Die äußere Langseite zeigt die
Geschoßebenen, die in ihrer Höhe sowie in
der Anordnung und Größe der Fenster von-
einander abweichen. Trotz einiger Verände-
rungen ist der Zustand vom Anfang des 14.
Jh. noch erkennbar: im Erdgeschoß befanden
sich zwischen den Fenstern drei Portale, von
denen das breiteste noch heute den Hauptzu-
gang zur Klausur bildet. Im ersten Oberge-
schoß sind wahrscheinlich im frühen 18. Jh.
anstelle von gekuppelten Fenster rechtek-
kige Sprossenfenster in die Spitzbogenblen-
den gesetzt worden, als man im Winterrefek-
torium Wohnungen für die Konventualinnen
einbaute. (Augenblicklich wird der Raum des
Winterrefektoriums wiederhergestellt, um
hier die berühmten gotischen Bildteppiche
des Klosters auszustellen.) Das zweite Ober-
geschoß hat die geringste Höhe und besitzt
kleine Spitzbogenfenster. Der nördliche Gie-
bel ist im Unterschied zum südlichen schlicht
ausgeführt, da ihm nicht die Funktion einer
Schaufront zukam.

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