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Im 18. Jh. hieß die Straße „In den Wandräh-
men” (nach den Rahmen der Tuchmacher
zum Trocknen der Stoffe), bereits kurz
danach taucht für den östlichen Abschnitt
bis zur heutigen Nikolaistraße die Bezeich-
nung „Hospitalstraße” auf, die von dem
Hospital St. Crux bzw. vom Accouchirhaus
(Kurze Geismar Straße 40) herrührte. Nach-
dem die Universität das Gelände von St.
Crux übernommen hatte, baute man 1783 im
ehemaligen Garten für den Chemiker J. F.
Gmelin das erste Chemische Institut der Uni-
versität mit Professorenwohnung (heute Nr.
10, Kunstgeschichtliches Seminargebäude).
Der zweistöckige Fachwerkbau - 1829 um
drei Gefache auf der Westseite vergrößert -
hatte vor dem Anbau eine symmetrische,
wahrscheinlich verputzte Fassade mit leicht
vortretendem Mittelteil mit Dreiecksfronti-
spiz und Rokoko-Tür. Im Innern findet sich
das alte Treppenhaus. Das Gebäude wirkt
stattlich, doch im Vergleich zur benachbar-
ten Frauenklinik erweist sich seine „bürger-
liche Bescheidenheit”.
Unter der Ägide von Prof. Wöhler entstan-
den westlich anschließend 1842 und 1860

weitere Chemische Institute, und 1888
dehnte man den Komplex, dem der erste
Turnplatz der Stadt von 1848 weichen
mußte, bis an die Nikolaistraßeaus. Mitteder
siebziger Jahre dieses Jahrhunderts erfolgte
der Abriß; augenblicklich dient das Gelände
als Parkplatz.
Zu Beginn des 19. Jh. lag gegenüber zwi-
schen Kurzer Straße und Kurzer Geismar
Straße ein großes Gartengrundstück, auf
dem sich der Archäologe Otfried Müller
nach eigenen Plänen von C. F. A. Rohns1836
- rechtzeitig zum Universitätsjubiläum (vgl.
Barfüßer Straße/Wilhelmplatz) - ein Wohn-
haus bauen ließ (Nr. 1). Diese einzige erhal-
tene klassizistische Professorenvilla in Göt-
tingen ist ein zweistöckiger Putzbau auf
hohem Sandsteinquadersockel mit einer rei-
chen, durch Säulen und Pilaster geschmück-
ten Gartenfassade (Ostseite), der nach
einer Nutzungsänderung durch den Anbau
des „Neuen Saales” (1857 durch Doeltz) und
des Speisesaales (ca. 1890 durch Gerber)
vergrößert wurde. Heute fehlt leider der klar
gegliederten, „dorischen” Architektur die
ursprüngliche, biedermeierliche Gartenan-

lage (heute im Wechsel Parkplatz und
Wochenmarkt).
Das ehemalige Chemische Laboratorium
(Nr. 10), die Müllersche Villa (Nr. 1 und das
benachbarte Accouchir-Haus (Kurze Geis-
mar Straße 40) am östlichen Eingang der
Straße gehören zu den Höhepunkten der
Göttinger Architekturgeschichte. Relativ
nahe beieinander stehend, machen sie
einen unmittelbaren Vergleich zwischen den
Baustilen des ausgehenden 18. und fortge-
schrittenen 19. Jh. möglich. Als qualitätvolle
Bauten kontrastieren sie zu der später
erfolgten, z. T. lockeren Aufsiedlung der
Hospitalstraße mit einfachen, mehrge-
schossigen Mietwohnhäusern und Werk-
stätten der Jahrhundertwende und Zweck-
bauten (Institut, Parkhaus) der jüngeren Ver-
gangenheit.


Hospitalstraße 7 b, ca. 1885

Hospitalstraße 10,
ehemaliges Chemisches Institut, 1783

Hospitalstraße von Kurze Geismar Straße nach
Westen


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