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VORBEMERKUNGEN
Im folgenden werden die Außenbezirke, die
sich quasi ringförmig um die Innenstadt
legen, als „Sektoren” entlang der Ausfall-
straßen bzw. zwischen ihnen und bereits
frühzeitig entstandenen Straßen begriffen.
Als weiteres Hilfsmittel zur Gliederung - das
z. T. die Sektoreneinteilung überlagert -
dient die Entstehungszeit der Quartiere
(besonders im Wohngebiet des Ostviertels)
und/oder die vorherrschende bzw. augen-
fällige Nutzung alsz. B. Wohn-, Industrie-und
Universitätsgebiet. Diese Nutzung prägte
die jeweils im Areal auftretenden Gebäude-
typen (z. B. finden wir Arbeiterhäuser gekop-
pelt mit Werkstätten), sie bedingte auch die
Veränderung des jeweiligen Straßencharak-
ters (die Ausfallstraßen verloren z. B.
ca. 1890 ihrzunächst vornehmes Image) und
des einzelnen Gebäude bis in die heutige
Zeit.
DIE NÖRDLICHEN STADTGEBIETE
Es ist das Gebiet zwischen Maschmühlen-
weg/Bahnkörper und Nikolausberger Weg.
Im Norden verläuft die Grenze nach Weende
nördlich der Daimlerstraße und des Christo-
phoruswegs in östlicher Richtung zum Non-
nenstieg.
Der Bereich um die Weender Landstraße
liegt im Leinetal und ist von daher flach;
dagegen steigt das Gelände nach Osten
kräftig an, so daß z. B. Nikolausberger Weg
und Kreuzbergring in Teilen eine beträcht-
liche Steigung haben.
Im heutigen Straßensystem finden sich vier
alte Wege, die vom Weender Tor bzw. vom
Albanitor ausgingen: nach Nordwesten der
Maschmühlenweg als Verbindung nach der
Mühle und weiter - vorbei am Platz der ehe-
maligen Pfalz Grona - nach Holtensen; nach
Norden die Weender Landstraße und der
Straßenzug Bühlstraße/Humboldtallee/Ro-
bert-Koch-Straße als älterer Pfad nach
Weende und nach Nordosten der Nikolaus-
berger Weg nach Nikolausberg.
Die anderen Straßen entstanden als Pla-
nung der 2. Hälfte des 19. Jh. und des 20. Jh.
im Zuge der Aufsiedlung des Gebietes mit
Wohn- und Industriebauten in der Nähe des
Bahnkörpers (z. B. Bertheaustraße, die
bereits 1876 weitgehend bebaut war - vor-
wiegend mit Eisenbahnerhäusern; Fabrik-
weg mit Gewerbebetrieben, Güterbahnhof-
straße z. B. mit Speditionen) und mit Univer-
sitätsbauten (z. B. Goßlerstraße).
Schätzungsweise die Hälfte des Bereiches
wird heute von Universitätsbauten einge-
nommen, die z. T. in der 2. Hälfte des 19. Jh.
entstanden. Die Masse der Bauten kam
jedoch erst durch die Neuplanung und Ver-
lagerung der Universität aus der Innenstadt
Richtung Weende/Nikolausberg dazu. Zu
diesen Nachkriegsbauten gehören auch
Studentenwohnheime (z. B. Akademische
Burse/Goßlerstraße und Studentendorf/
Gutenbergstraße), so daß man heute von
einem „Universitätsstadtteil” sprechen mag.
Er taucht wie die Industrieansiedlungen der
Nachkriegszeit nahe der Weender Land-
straße im folgenden nur am Rande auf.

WOHN- UND GEWERBEGEBIET:
Weender Landstraße und Querstraßen
Nach der Chaussierung 1765-77 wurde die
Weender Landstraße zum „Rückgrat” dieses
Areals. Bereits 1747 war auf ihrer Westseite
der Bartholomäusfriedhof - benannt nach-
dem abgegangenen Stift (vgl. Die äußere
Befestigung) - für die Johannis- und Jakobi-
gemeinde eröffnet worden; hier stehen zwei
Mausoleen von 1773 und 1774 für die Profes-
soren Richter und Ayrer aus Bruchstein-
mauerwerk mit architektonisch gegliederter
Werksteinfassade aus Buntsandstein. Sel-
tenheitswert für Göttingen - das arm an
spätbarocken Gittern ist - haben die
schmiedeeisernen Flügeltüren, die den
jeweils rundbogigen Eingang in den kleinen
Innenraum schließen. Auf dem Friedhof fin-
den sich u. a. die Gräber der Professoren
Heyne, Lichtenberg, Kästner, Michaelis,
Schlözer, Richter; für Bürger, dessen Grab-
stätte verschollen ist, steht hierseit 1895 ein
Denkmal (entworfen von Professor Eber-
lein).
Besonders in der Nähe des Tores, von dem
außer der Weender Landstraße auch der

Maschmühlen- und Nikolausberger Weg
und bald auch die Berliner Straße ausgingen,
lagen Gartenhäuser und seit 1830 auch
Wohnhäuser, die nach und nach die Garten-
hausbebauung ersetzten.
Ein heute noch vorhandenes Beispiel ist die
Villa von Professor Kraut von 1852 (Weender
Landstraße 14). Es handelt sich um einen
verputzten kubischen Baukörpermitvorwie-
gend feinteiliger Werksteingliederung. Über
einem niedrigen Keilersockel erheben sich
das Erdgeschoß und das durch seine Höhe
betonte piano nobile, welches optisch ein
friesartig gestaltetes Mezzanin abschließt.
Ein Zinnenkranz verdeckt das flache Walm-
dach. Die vom Rundbogenstil beeinflußte
Architektur bestimmen das ausgewogene
Verhältnis zwischen horizontaler und ver-
tikaler Gliederung und die betonte Symme-
trie der Fassaden, wobei die nördliche Ein-
gangs- und die südliche Gartenseite durch
das Vortreten bzw. den reicheren gotisieren-
den Dekor und Zwerchgiebel des mittleren
Abschnitts gesteigert sind.
Im Anschluß wurde der ehemalige Torbe-
reich zu einer platzartigen Anlage mit locke-


Weender Landstraße, Bartholomäusfriedhof

Weender Landstraße 14,1852


Weender Landstraße 2, Auditorium Maximum, Architekt Fr. Doeltz, 1862-65


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