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das Wandrelief bildet sich aus lisenenarti-
gen Vorlagen, umfassenden Blendbögen,
bogenfriesartigen Traufgesimsen am Drem-
pel, Stützpfeilern, Wasserschlaggesimsen
usw. Besonders reich sind die Mittelrisalite
und der Chor mit Schmuck ausgestattet.
Es überwiegen neben den Elementen des
Rundbogenstils gotisierende Architekturfor-
men.
Die in ihrer Zeit vorbildliche und architekto-
nisch qualitätvolle Anlage wurde bis zur
Jahrhundertwende durch Nebengebäude
erweitert (z. B. Ärztehaus), und um 1910
errichtete man in unmittelbarer Nähe in der
Ernst-Schulz-Straße mehrere Wohnhäuser
für Krankenwärter.
Südwestlich vom Landeskrankenhaus, vom
Rosdorfer Weg erreichbar über einen Stich-
weg, liegt die „Provinziale Heil- und Erzie-
hungsanstalt” (Rosdorfer Weg 76), die 1911
errichtet wurde. Es handelt sich um symme-
trisch angeordnete Putzgebäude mit einem
höheren Hauptbau mit einschwingender
Fassade. Die Gesamtanlage wurde in den
zwanziger und fünfziger Jahren durch wei-
tere Gebäude ergänzt.

ZWISCHEN GLEISKÖRPER UND LEINE:
Groner Landstraße/Carl-Zeiss-Straße
Göttingens Anschluß an die industrielle und
wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
hing eng mit dem Bau der Eisenbahn zusam-
men. Die erste Streckenführung der Eisen-
bahn 1854 von Göttingen nach Süden folgte
nicht (wie nördlich von Göttingen) dem
natürlichen Talweg über den Eichenberger
Paß in das Werratal, sondern aus politischen
Gründen baute man die unbequeme, durch
starke Steigungen behinderte Strecke nach
Dransfeld und weiter nach Münden: Die
Bahn sollte bis Hannoversch-Münden auf
hannoverschem Hoheitsgebiet verbleiben.
Zur Überwindung der Steigungen benötigte
man den Vorspann von stärkeren Lokomoti-
ven, deren Wartung und Reparatur in einer
dem Bahnhof angegliederten Werkstatt
erfolgten. Diese Werkstatt legte man auf der
Westseite der Bahnlinie nördlich derGroner
Landstraße an; aus ihr entwickelte sich das
Ausbesserungswerk, zeitweilig der größte
Göttinger Arbeitgeber, inzwischen ge-
schlossen.

Rosdorfer Weg 70, Landeskrankenhaus, Nordwestecke des Innengartens




Groner Landstraße, Israelitischer Friedhof

Rosdorfer Weg 70, Landeskrankenhaus.
Verwaltungsflügel vom Innengarten

Carl-Zeiss-Straße, Lokrichthalle, ca. 1915

Von dieser, für die Göttinger Sozial- und
Industriegeschichte so bedeutsamen An-
lage haben sich Teile der ältesten Werkstatt
erhalten; diese wurden im Laufe der Jahr-
zehnte mehrfach umgebaut und bis an die
Leine erweitert. Den wohl wichtigsten Bau -
weil relativ ungestört erhalten - stellt die
Lokrichthalle dar. Es ist ein riesiges, drei-
schiffiges rotes Backsteingebäude aus dem
Ersten Weltkrieg mit Teilerweiterungen von
1937-40. Die tragende Konstruktion aus
Stahlträgern und Doppel-T-förmigen Bindern
und diedamit in Verbindung stehenden Stüt-
zenelemente für die Kranbahn sind ziemlich
unverändert, ebenso die architektonische
Gestaltung des Äußeren durch Pilaster mit
vorgesetzten Strebepfeilern und durch Fen-
stergruppierung. Die Halle ist als ein gutes
Beispiel für Industriearchitektur aus dem
ersten Viertel dieses Jahrhunderts anzuse-
hen.
Die Besiedlung der Groner Landstraße zwi-
schen der Unterführung der in den zwanzi-
ger Jahren dieses Jahrhunderts höher
gelegten Bahngleise und der Otto-Frey-
Brücke über die Leine erfolgte ohne Plan
seit den sechziger Jahren des 19. Jh. bis zum
Ersten Weltkrieg mit Wohnhäusern für Arbei-
ter und Handwerker sowie mit einzelnen
Gärtnereien. Auf diesem Gelände, das durch
seine gleichmäßige, historische Parzellie-
rung im Stadtgrundriß auffällt, lag die ehe-
malige Steinwegsiedlung der Bauern aus
„Borchgrona” (s. o.). Der Veränderungsgrad
der Gebäude und der Straße ist wie an der
nördlichen Ausfallstraße nach Weende
besonders groß.
DAS GEBIET WESTLICH DER LEINE: GRO-
NER LANDSTRASSE UND QUERSTRASSEN
Bereits im 18. Jh. fand sich westlich der
Gerichtslinde auf der Südseite der Groner
Landstraße der Friedhof der israelitischen
Gemeinde, der später erweitert wurde.
Anders als die Synagoge in der Unteren
Maschstraße hat er die Zerstörungen der
Zeit des Nationalsozialismus überstanden,
erhalten sind Grabsteine und die Einfriedi-
gung; erstellt so ein wichtiges Denkmal jüdi-
scher Kultur in Südniedersachsen dar.
Im Westen stößt der jüdische Friedhof direkt
an den städtischen Friedhof. Im Rahmen der
Verkopplung erwarb die Stadt das Grund-
stück; er wurde 1881 eröffnet und 1899/1900
auf seine jetzige Größe erweitert.
Heute finden wir ihn in seiner alten Grundriß-
bildung mit der originalen Einfriedung (Zie-
gelsteinmauer mit Gittertoren) und den ori-
ginalen Verwaltungs- und Eingangsbauten
vor. Die Kapelle wurde 1899/1900 nach Plä-
nen von Stadtbaurat Gerber errichtet. Es ist
ein Zentralbau über kreuzförmigem Grund-
riß mit halbrunder Apsis im Westen und hier
eingeschobenen Nebenräumen zwischen
den Kreuzarmen. Das übergiebelte Portal
mit einer Christus-Halbfigur im Tympanon
liegt nach Osten. Beherrschend erhebt sich
über der Vierung der achtseitige Turm. Als
Material verwendete man Tuffstein für die
Bruchsteinmauern und Sandstein für die
Steinmetzarbeiten wie Architekturteile und

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