Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einer männlichen und einer weiblichen
Herme. Die umlaufenden Gliederungsele-
mente betonen die Horizontale. Beim Origi-
nal waren die Details plastischer, das fla-
chere Dach besaß ein kräftigeres Traufge-
sims und eine Laterne. Das Gebäude, eines
der letzten erhaltenen öffentlichen, klassizi-
stischen Badehäuser, stellte mit seiner
Inneneinteilung (Kabinen um einen über
beide Geschosse laufenden Zentralraum)
und deräußeren Gliederung eine besonders
interessante architektonische Lösung dar.
In der Nähe findet sich seit 1895 der Rohns-
Gedenkstein in Form eines Obelisken.
Diese Gebäude waren neben einem „Bau-
hof”, den Rohns am Schildweg angelegt
hatte (etwa auf den Grundstücken Nr. 34-
38), die ersten im östlichen Vorfeld der
Stadt. Dann erfolgte der Ausbau der Herz-
berger Landstraße: Bereits zu Anfang des 19.
Jh. hatte man den ersten Versuch zur Wie-
derherstellung der Straße unternommen,
die nach den ehemaligen Stadtdörfern Her-
berhausen und Roringen und weiter an der
ehemaligen Warte vorbei über Waake nach
Herzberg führte; die Pläne stammten von

Distriktbaumeister Müller. Angeblich sollten
auf diese Weise der Steintransport für den
Bau der Sternwarte (vgl. Die südlichen
Stadtgebiete), der Handelsverkehr nach
dem Harz und der Waffentransport von der
1736gegründeten Gewehrfabrik in Herzberg
erleichtert werden. 1817 beendete man die
provisorische Verbindung vom Albanitor bis
an die Feldmarkgrenze der Stadt Göttingen,
mußte jedoch wegen auftretender Mängel
1823 neu beginnen; an diesen Arbeiten
beteiligte sich der Bauunternehmer Rohns.
Noch während des Ausbaus entstanden an
der Straße als Konkurrenzunternehmen
zwei Ausflugslokale: 1827 die spätere Hain-
bundschenke des Ziegelmeisters Credo
(nicht mehr vorhanden) und 1828-30 der
Volksgarten von Rohns (Herzberger Land-
straße 115 bzw. Rohnsterrassen 16). Der
„Rohns”, lange Zeit eines der beliebtesten
Ausflugsziele der Göttinger Bevölkerung,
war eine größere, von einer Bruchstein-
mauer (Reste erhalten) umgebene Anlage,
die sich von der Westseite der Herzberger
Landstraße bis hinab zum Rohnsweg zog,
der von der Stadt in gerader Linie auf den


Herzberger Landstraße 115, „Rohns", Architekt
C. F. Rohns, 1828-30


Herzberger Landstraße 115, Mittelabschnitt



Herzberger Landstraße 3, Architekt Gerber,
ca. 1870


Fuß des Hainberges zuführt. Auf dem stark
abfallenden, terrassierten Gelände hatte
Rohns zahlreiche verschiedene Bäume
(auch Obstbäume und Weinreben) anpflan-
zen lassen und den Garten mit Pavillons
(eine Pavillonruine erhalten) und Lustbarkei-
ten ausgestattet.
Das eigentliche Gasthaus liegt traufständig
auf einer Felsplatte über dem Abhang; den
Geländeabfall gleicht ein Sockelgeschoß
aus, ehemals hier der Ausschank für den
Garten und Nebenräume. Vor den Verände-
rungen und Erweiterungen (diese 1972
abgerissen) von Rathkamp nach den Plänen
des hannoverschen Architekten Schädtler
von 1898 handelte es sich um einen zweige-
schossigen Putzbau von 3:7 Achsen, mit
Walmdach und einem belvedere-ähnlichen,
mittigen Dachhaus, in dem Schornsteine
und derobereTeil des Treppenhauses unter-
gebracht waren. Den eher kargen, nur mit
einem knappen, profilierten Traufgesims
ausgestatteten Baukörper beherrschten auf
der West- und Ostseite - hier der Eingang -
jeweils ein leicht vortretender, dreiachsiger
übergiebelter Mittelrisalit, der einer „römi-
schen Tempelfront” nachempfunden ist
(glatte Pilaster mit korinthischen Kapitellen,
korinthisches Gebälk usw., leeres Giebel-
feld). Ansonsten beschränkte sich der
Schmuck auf schwere Sohlbänke, gesims-
förmige Türverdachung und profilierte Ein-
fassungen deröffnungen. Auf der Westseite
befand sich vor dem Risalit eine Terrasse mit
einer auf zierlicher Stützkonstruktion (ver-
mutlich Gußeisen) ruhenden Verdachung.
Der strenge klassizistische Umriß des Baus
behagte dem späteren 19. Jh. nicht mehr.
Bei der Vergrößerung des Komplexes
erhöhte Rathkamp den alten Bau um ein hal-
bes Geschoß, und führte das korinthische
Gebälk mit dem reichen Traufgesims ganz
herum. Damit band er die Risalite stärker in
den geschlossenen Baukörper ein und gab
diesem durch das prächtige Traufgesims,
das flachere Dach und flachgedeckte Dach-
haus ein renaissancistisches Gepränge.
Ursprünglich stand das Gebäude in wir-
kungsvoller Isolation vor der Folie des Wald-
saumes über der Stadt; heute ist es von der
neuen Bebauung aus den frühen siebziger
Jahren dieses Jahrhunderts eingeholt wor-
den und dadurch in seiner Fernwirkung ent-
wertet. Zur Zeit nutzt es die Universität als
repräsentatives Gästehaus.
WOHNHÄUSER DES 3. VIERTELS DES 19. JH.
Bis etwa 1870 hatte die Zahl der Gebäude in
dem Bereich beträchtlich zugenommen;
den größten Teil bildeten vermutlich ver-
schwundene Gartenhäuser, man baute
jedoch auch Wohnhäuser: Als Beispiel für
die Kategorie bescheidenerer Wohnhäuser
mag Schildweg 18 dienen, ein zweistöckiges
verputztes Fachwerkhaus, das mit seiner
Giebelseite direkt an der Straße steht und
die einfach gegliederte, symmetrische spät-
klassizistische Fassade gartenwärts nach
Westen wendet. Etwa 1865 entstanden
gehört es zu den ältesten erhaltenen Gebäu-
den in diesem Gebiet.

86
 
Annotationen